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Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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wegzunehmen.
    Wegen ihr würde man verhandeln
müssen, wozu Wolpert durchaus bereit war. Edith zuliebe. Aber er war niemals
bereit, auf einen Berg Geld zu verzichten — nur weil diese Möglichkeit die
schnellere und bessere Lösung war, um Anna ihrer Mutter zuzuführen.
    Nein! dachte er. Das wäre ja
hirnrissig.
    Er schreckte hoch aus einer
Überlegung, weil ein Wagen durch die Einfahrt auf den Hof fuhr.
    Zum Teufel, wer...
    Er trat ans Fenster.
    Ein grauer Lieferwagen hielt
hinter der Garage. Der Motor wurde ausgeschaltet. Der Fahrer stieg aus.
    Er war groß und knochig wie ein
Skelett. Über der Halbglatze standen borstige Haare himmelwärts. In dem langen,
grauen Gesicht fielen die schweren Lider auf. Bläuliche Lider, die über die
Augen gesenkt waren, als wäre der Mann befallen von überwältigender Müdigkeit.

    Das täuschte. Es war eine
angeborene Muskelschwäche der Lider. Hugo Dansik hatte sich daran gewöhnt. Er
sah, was er sehen wollte. Daß er, statt die Augen zu zeigen, nur mit
Sehschlitzen durchs Leben ging, hatte sogar einen Vorteil: Man bemerkte die
Eiseskälte nicht in seinem Blick.
    „War der nicht schon mal hier?“
fragte Edith. Sie war neben Wolpert getreten.
    „Ja, Dansik kommt ab und zu.
Ein... äh... Geschäftsfreund.“
    „Hat mit Teppichen zu tun, ja?“
    „Sozusagen.“
    „Ich finde, er sieht unheimlich
aus.“
    Wolpert lachte. „Er hat auch
einen entsprechenden Spitznamen. Aber so nennen ihn nur seine Zöglinge. Hinter
vorgehaltener Hand, versteht sich. Bei denen heißt er: Der böse Geist vom
Waisenhaus.“

9. Abhängig vom bösen Geist
     
    Der Kindergarten ,Dornröschen’
in der Brenner-Straße war ein flaches Gebäude, etwas zurückgesetzt von der
Straße, mit einem umfriedeten Garten an der Rückseite, wo Spielgeräte standen,
von denen jetzt der Regen tropfte.
    Später Nachmittag. Tim und
Klößchen warteten auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Gaby und Karl befanden sich
noch im Kindergarten. Das war ersichtlich an ihren geparkten Tretmühlen neben
dem Eingang.
    Hineinsehen durch die Fenster
konnte man nicht. Die bunten Vorhänge waren geschlossen.
    Tim trat von einem Fuß auf den
andern.
    Klößchen zerbiß krachend ein
Stück Schokolade.
    „Vielleicht spielen sie mit den
Kurzen“, meinte er.
    „Schon möglich“, nickte Tim.
„Es mangelt an Betreuungspersonal. Ist ein allgemeiner Zustand. In den
Pflegeberufen fehlt’s. Zuwenig Altenpfleger, zuwenig Krankenpfleger, zuwenig
Schwestern. Ist ja auch beschwerlich — der Dienst am Mitmenschen.“
    „Die Menschheit verroht“,
stellte Klößchen fest.
    „Was?“
    „Alle leben nur noch ihre
Selbstsucht aus.“
    „Nicht alle, Willi.“
    „Nur in Notzeiten rücken die
Menschen zusammen. Weil dann auch die Schiß bekommen, die sonst Oberwasser
haben. Ist aber kein edles Motiv, wenn sie sich nur aus Schiß um den
Mitmenschen bekümmern.“
    „Wohl recht.“
    Bevor das Gespräch tiefsinniger
wurde, kamen Gaby und Karl aus dem Kindergarten, zur Tür geleitet von einer
jungen Frau, die einen offenbar selbstgestrickten, nämlich formlosen Pullover
trug. Oskar trottete nebenher.
    Die beiden Kids wurden sehr
freundlich verabschiedet.
    Schwarzgraue Dämmerung sank auf
die Großstadt, was unter anderm die Sicht verkürzte.
    Als Gaby und Karl ihre
Tretmühlen entsicherten, pfiff Tim auf zwei Fingern, einmal schrill, einmal
gellend.
    Gaby sah herüber, dann kamen
sie. Oskar wedelte erfreut. „Ihr wart aber lang im Dornröschen“, sagte der
TKKG-Häuptling. „Wir haben inzwischen die Pampa gefegt.“
    „Eine nette Kindergärtnerin“,
schwärmte Karl. „Sie betreut über 40 Kinder.“
    „Und total zugänglich.“ Gaby
zog sich die Kapuze über den Kopf. „Ich habe Frau Mieling eingeweiht. Sie war
ganz betroffen, findet es aber richtig, daß wir der Sache auf den Grund gehen
und nicht gleich die Polizei alarmieren. Anna ist ein stilles und sehr liebes
Kind. Bis jetzt war sie nicht auffällig. Jedenfalls nicht erkennbar milieu-geschädigt,
wie Frau Mieling meint.“
    „Mit einer Gruppe von
Fünfjährigen“, sagte Karl, „habe ich Memory gespielt. Man glaubt nicht, was für
ein Gedächtnis die haben. Ich konnte kaum mithalten.“
    „Und?“ fragte Tim seine
Freundin. „Hast du mit Anna unter vier Augen gesprochen?“
    „Habe ich. Habe auch gesagt,
daß ihr Anruf bei uns gelandet ist. Sie... also, ich müßte Psychologin sein, um
das richtig einzuordnen... sie glaubt jetzt, sie hätte alles nur geträumt. Der
Papa

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