Der böse Geist vom Waisenhaus
hinter der Bratwurst-Bude
unter dem weit vorgezogenen Dach.
„Du Dreckstück“, sagte Dansik,
„bildest dir ein, du könntest Dr. Reithl erpressen, wie? Soll ich dich umlegen,
Vleske? Würde dem Staat viel Arbeit ersparen.“
„Bitte!“ Der Penner wimmerte.
„Tun Sie’s nicht. Ich habe doch nur... Weil ich in einer verzweifelten Lage
bin.“
„Deine Lage wird noch
schlimmer, wenn du dich an Reithl heranwagst.“
„Jaja, ich begreife. Sagen Sie
ihm, es tut mir leid.“
„Wo ist der Brief?“
„Hier.“
Papier knisterte.
„Laß dir eins gesagt sein“,
schnauzte Dansik. „Wenn du auch nur eine Silbe verrätst von dem, was du weißt —
bist du tot, Vleske. Begriffen?“
„Ich sage nichts. Niemals.“
„Die Bullen werden dich
schnappen. Da besteht kein Zweifel. Aber du hältst den Mund.“
„Ehrenwort! Ich nehme das auf
mich. Ich sage, ich hätte Christian geschlagen. Darauf kommt es nun nicht mehr
an. Ich bin sowieso verratzt für alle Zeiten.“
„Dansik aber auch“, sagte Tim
und trat um die Ecke.
Der Heimleiter wirbelte herum.
Vielleicht sah er Tims Faust
noch. Sie riß ihm fast den Kopf ab, und Dansik fiel um.
Tim fing die Pistole auf, bevor
sie in einer Wasserlache landete, und zog den Brief hervor, von dem ein Stück
aus Dansiks Manteltasche ragte.
Vleske stand dabei wie
versteinert.
„Nicht von der Stelle rühren!“
warnte Tim und stellte sich unter das Dach. „Scheint ja ein interessanter Brief
zu sein. Den möchte ich doch gleich mal lesen.“
*
Eine Stunde später wurde Dr.
Matthias Reithl in seinem Haus festgenommen. Er war betrunken, leistete aber
keinen Widerstand und legte spätabends, nach seiner Ausnüchterung, ein
Geständnis ab.
Carola Reithl begab sich in
ärztliche Behandlung. Ihr, das war abzusehen, würde man nicht viel anhaben
können. Und das wäre auch gar nicht in Christians Interesse gewesen. Denn wen
hatte er sonst?
Hinter Erwin Vleske schloß sich
das Gefängnistor für eine lange, lange Zeit. Er war schuldig in vieler
Hinsicht, obwohl nicht verantwortlich für die schwere Körperverletzung an
Christian.
Dem ging es bald wieder gut. Er
kam nach Hause zurück — zu seiner Mutter, von der man sich erzählte, sie hätte
die Scheidung beantragt, denn ihr Mann, der in Untersuchungshaft war, sah einer
empfindlichen Strafe entgegen.
Noch ziemlich lange
beschäftigte Dansik die ermittelnden Beamten. Dutzende von Einbrüchen —
verteilt über mehrere Jahre — konnten aufgeklärt werden. Dafür wurde Dansik zur
Rechenschaft gezogen, ebenso für die Grausamkeit, mit der er die ihm
anvertrauten Waisenkinder abgerichtet hatte zu Einbrechern und Dieben.
ENDE
Körperliche und seelische
Mißhandlung und sexueller Mißbrauch
Gaby hat es ihren Freunden Tim,
Karl und Klößchen schon erklärt: Das BMFJ das Bundesministerium für Frauen und
Jugend in Bonn, macht seit dem Sommer 1992 eine Informations- und
Aufklärungskampagne. Die Kampagne steht unter dem Motto: „Keine Gewalt gegen
Kinder“.
Dahinter steckt Folgendes:
Kinder erfahren oft unsagbares Leid, und zwar in ihrer eigenen Familie.
Ungefähr 150000 Mädchen und Jungen werden jedes Jahr zu Flause körperlich
mißhandelt. Körperlich mißhandelt heißt: Sie werden geschlagen und getreten,
man dreht ihnen z. B. die Arme um oder wirft sie auch die Treppe runter. Gar
nicht selten tragen sie schlimme Verletzungen davon: Blutergüsse, Platzwunden
am Kopf oder Knochenbrüche. Aber auch Verbrennungen und Verbrühungen durch
heiße Flüssigkeiten, die ihnen übergossen wurden.
Mißhandlungen richten sich
allerdings nicht nur gegen den Körper. Auch gegen die Seele. Und zwar dann,
wenn Eltern ein Kind allein lassen. Das bedeutet: Sie geben ihm keine
Zuwendung, keineZ ärtlichkeit und keine Liebe. Oder sie halten es von der
Umwelt fern, sie drohen ihm z. B., es ganz zu verlassen. Oder sie beschimpfen oder
stellen es vor anderen bloß und machen es lächerlich. Wie sehr Kinder unter
solchen Verhaltensweisen ihrer Eltern oder von anderen Erziehenden leiden,
hängt davon ab, wie lange sie solche Torturen ertragen müssen und wie schlimm
sie sind. Solche seelische Gewalt hinterläßt dabei keine körperlichen Wunden,
so daß sie nur schwer zu erkennen ist. Wie oft sie vorkommt, können wir deshalb
nur vermuten.
Ziemlich genau wissen wir
dagegen, daß 1991 etwa 82 000 Mädchen sexuell mißbraucht worden sind, und zwar
von älteren Jugendlichen oder Erwachsenen, nicht selten von ihren
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