Der Boss
Schlimmer«, und Aylin schafft es regelmäßig, diesen Satz wie ein erotisches Vorspiel klingen zu lassen. Ich ziehe sie zu mir heran:
»Aber jetzt musst du mir auch etwas versprechen.«
»Okay?!«
»Versprich mir, dass wir niemals niemals niemals einen Stoff-Harlekin oder eine glitzernde Pastell-Krippe in unserer Wohnung haben werden!«
»Hmmm … weiß nicht. Das wäre schon ein herber Verlust. Was krieg ich denn dafür?«
Als Antwort hole ich endlich den Kuss nach, auf den ich seit einer halben Stunde mit Rücksicht auf die Familie verzichtet habe,und erkunde dabei mit meinen Händen Aylins Po, der deutlich schönere Rundungen aufweist als die abstrakte Steinplastik von Alfons Kunen.
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7
Noch lange genug bis zur Hochzeit, um weitere
peinliche Situationen zu erleben.
Wir sitzen mit vollen Bäuchen am Esstisch, und eine zufriedene Müdigkeit hat sich breitgemacht. Meine Mutter hat natürlich keine Weihnachtsgans gebraten, sondern zu Ehren unserer türkischen Gäste ein Büfett aus mediterranen Speisen vorbereitet. (Obwohl meine Eltern immer noch Anhänger der Frauenbewegung sind, lässt meine Mutter meinen Vater niemals an den Herd, seitdem dieser das angebliche Leibgericht von Hermann Hesse nachkochen wollte und dabei die Küche im Zustand eines explodierten Chemielabors hinterließ.)
Nach der schwierigen Situation im Schlafzimmer sind Bescherung und Essen ohne weitere Zwischenfälle verlaufen, bis auf einen Fauxpas meines Vaters. Er konnte es sich nicht verkneifen, Herrn Denizo ğ lu darauf hinzuweisen, dass die schwarzen Oliven aus Griechenland stammen, und zwar nachdem Aylins Vater sie gegessen und für gut befunden hatte. Hätte sich Oma Berta nicht just in diesem Moment an einem Stück Knoblauchwurst verschluckt und wäre fast gestorben – die Situation hätte brenzlig werden können.
Zur Bescherung haben meine Eltern wieder einmal sensationelle Menschenkenntnis bei ihrer Geschenkauswahl bewiesen:
Lediglich Ingeborg Trutz und Dimiter Zilnik bekamen Dinge, die sie wirklich gebrauchen können. Aber ich bin sicher, Herr Denizo ğ lu wird begeistert sein, endlich die Wahrheit über Zypern zu erfahren.
Nachdem mein Vater das obligatorische Wolf-Biermann-Lied ohne weitere Unfälle auf den Plattenteller gebracht hatte (während dieser drei Minuten zeugten die Gesichter der Denizo ğ lus davon, dass sie im Nachhinein Heino doch nicht so schrecklich fanden), wollte Frau Denizo ğ lu von Ingeborg Trutz wissen, warum sie nicht mehr mit Dimiter Zilnik zusammen ist, obwohl sie sich doch offenbar gut verstehen. Ingeborg antwortete, sie würden sich nicht wirklich gut verstehen, sondern seien einfach zu pazifistisch, um sich die Schädel einzuschlagen – woraufhin Frau Denizo ğ lu die Gesichtszüge entglitten; was sie allerdings nicht davon abhielt, zehn Sekunden später ihre Cousine Valide anzurufen, um ihr mitzuteilen, sie habe endlich einen Ehemann für sie gefunden.
Valide gab zur Antwort, sie sei in fünf Minuten da, und jetzt, knapp zwei Stunden später, warten wir immer noch auf sie. Meine Eltern finden es zwar ungewöhnlich, dass ihre Weihnachtsgäste an Heiligabend ohne zu fragen eine fremde Frau eingeladenhaben; aber die Freude, dass die Türken die traditionelle Weihnachtsroutine durcheinanderwirbeln, überwiegt (zumindest bei meinem Vater).
Dimiter Zilnik und Ingeborg Trutz sind zwar weniger begeistert, haben ihren Alkoholpegel aber inzwischen so weit erhöht, dass ihnen das Leben an sich und auch alles andere egal ist.
Mein Vater erhebt sein Glas:
»So, ich habe für unsere Gäste extra einen türkischen Trinkspruch geübt: ön kolü gunümu böö … ooolun.«
Er schaut die Denizo ğ lus an und wartet vergeblich auf Applaus. Sie haben kein Wort verstanden. Als er die fragenden Blicke bemerkt, holt er einen Zettel hervor.
»Ich meinte: ähn kotü güll … äh günü … äh … böhle ohlsohn.«
Erneut allgemeine Ratlosigkeit. Dann übernimmt meine Mutter:
»En kötü günümüz böyle olsun.«
Jetzt haben die Denizo ğ lus verstanden und applaudieren begeistert. Offenbar hat meine Mutter mehr Talent für die türkische Sprache als mein Vater, der immerhin die deutsche Übersetzung beisteuert:
»Dies soll unser schlechtester Tag sein. Das bedeutet, die Zukunft soll noch besser werden.«
Meine Mutter ist vom Erfolg ihres ersten türkischen Satzes so euphorisiert, dass sie ihn wiederholt:
»En kötü günümüz böyle olsun – ein toller Spruch. So
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