Der Bourne Befehl
seinem Blick aus. »Du hast meine Gastfreundschaft missbraucht. Du hast versprochen …«
»Sie hat getan, was sie tun musste.« Bourne nahm einen Gazetupfer aus dem Medizinschrank und klebte ihn auf die Wunde. »Es ist schon okay, Don Fernando.«
»Ganz im Gegenteil.« Don Fernando war wütend. »Ich habe dir geholfen, weil ich mit deiner Mutter befreundet war. Aber anscheinend warst du zu lange im Dschungel von Kolumbien. Du hast dir ein paar ziemlich schlechte Gewohnheiten zugelegt.«
Kaja ließ sich auf den Rand der Badewanne sinken, die Hände aneinandergedrückt, als würde sie beten. »Ich wollte dich nicht enttäuschen, Don Fernando.«
»Meine Liebe, es geht hier nicht um mich – ich bin so wütend, weil du dich selbst unglücklich machst.« Der ältere Mann lehnte sich gegen den Türrahmen. »Stell dir vor, was deine Mutter von deinem Benehmen halten würde. Sie hat dich anders erzogen.«
»Meine Schwester …«
»Erzähl mir nichts von deiner Schwester! Wenn ich gedacht hätte, dass du ihr auch nur ein bisschen ähnlich bist, dann hätte ich dich nie in Jasons Nähe gelassen.«
»Es tut mir leid, Don Fernando.« Kaja blickte auf ihre Hände hinunter.
Bourne hatte Don Fernando noch nie in einem so strengen Ton sprechen gehört. Kaja hatte offenbar einen Nerv bei ihm getroffen.
Don Fernando seufzte. »Wenn du es wirklich so meinen würdest. Aber wir sind alle Lügner hier, wir geben uns als Menschen aus, die wir nicht sind.« Sein Blick wanderte von Kaja zu Bourne. »Finden Sie es nicht interessant, dass wir alle ein Problem mit unserer Identität haben?«
Kaja hob schließlich den Kopf. »Jeder hat seine Geheimnisse.«
»Das stimmt«, räumte Don Fernando ein. »Aber die Geheimnisse machen uns eben diese Probleme mit der Identität. Geheimnisse zu haben heißt schon, zu lügen – und mit den Lügen verändern wir unsere Identität. Mit der Zeit werden uns die Lügen zur Gewohnheit und dann zur Wahrheit – zumindest für uns selbst, und dann … Wer sind wir dann?« Sein Blick ging zu Kaja zurück. »Weißt du es, Kaja?«
»Sicher weiß ich das.« Doch ihre Antwort war allzu schnell gekommen; sie stockte und überlegte mit gerunzelter Stirn.
»Bist du noch Schwedin?«, warf Bourne mit sanfter Stimme ein. »Oder mehr eine Achagua?«
»Meine Herkunft ist …«
»Aber die Herkunft hat damit so wenig zu tun, Kaja!«, rief Don Fernando aus. »Die Identität muss mit der Realität nichts zu tun haben. Sie entsteht oft nur aus unserer Vorstellung heraus. Es geht nicht nur darum, wie andere dich sehen und auf dich reagieren, sondern wie du dich selbst siehst und handelst.« Und mit einem verächtlichen Brummen fügte er hinzu: »Ich glaube, Jason hat recht. Du solltest diese Schlangentätowierung für immer tragen.«
Kaja sprang auf. »Du hast an der Tür gelauscht!«
Don Fernando hielt einen Schlüssel hoch. »Wie hätte ich sonst wissen sollen, ob ich reinkommen muss?«
»Jason hätte wohl kaum deine Hilfe gebraucht«, erwiderte sie.
»Ich habe dabei auch nicht an ihn gedacht«, sagte Don Fernando.
Sie blickte zu ihm auf. »Danke.«
Es war verblüffend, dachte Bourne, wie weit sie sich schon von Rosie entfernt hatte, Estevan Vegas’ kolumbianischer Frau.
Don Fernando zeigte zum Wohnzimmer hinüber. »Ich glaube, wir können jetzt alle gut einen Drink vertragen.«
Kaja nickte und stand auf. Während sie ins Wohnzimmer zurückgingen, fragte sie nach Estevan.
»Er schläft noch, um neue Kräfte zu sammeln – und die wird er auch brauchen.« Don Fernando zuckte mit den Schultern. »Für ihn ist es schwer. Er kennt nur seine Art, zu leben, und die ist viel einfacher als die Situation, in die er jetzt geraten ist.«
»Warum siehst du mich so an?«, erwiderte Kaja. »Glaubst du, ich verlasse ihn jetzt?«
»Wenn du es tust«, sagte Don Fernando, während er ihnen von seinem hervorragenden Sherry einschenkte, »dann brichst du ihm sicher das Herz.«
Sie nahm das Glas entgegen, das er ihr reichte. »Estevans Herz war schon gebrochen, lange bevor wir uns begegnet sind.«
»Das heißt nicht, dass es nicht noch einmal passieren kann.«
Bourne nahm seinen Sherry entgegen und nippte daran. Er setzte sich auf das Sofa. Jetzt, als das Adrenalin langsam nachließ, begann die Wunde in seiner Seite zu brennen, als hätte sie ihm einen heißen Schürhaken hineingerammt.
»Kaja …« Bourne verstummte, als sie schweigend den Kopf schüttelte.
Sie kam zu ihm herüber und setzte sich neben ihn. »Ich
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