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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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dünn und melancholisch in der feuchten Morgenluft.
    »Was bedeuten die Glocken, Mr. Lemoine?« Bolitho hielt sein Teleskop auf das ferne Schiff gerichtet.
    Der Leutnant unterdrückte ein Gähnen. Er hatte bis nach Mitternacht mit seinem Stellvertreter Karten gespielt – und verloren.
    »Hier auf der Insel leben viele Katholiken, Sir«, antwortete er. »Die Glocken rufen zur Morgenandacht.« Als Bolitho schwieg, fügte er noch erläuternd hinzu: »Heute ist ein Feiertag für sie, der Namenstag von St. Damian.«
    Lemoine ging ohne Scheuklappen durch die Welt, dachte Bolitho zufrieden. Im Gegensatz zu manchen Offizieren, für die außerhalb ihres eigenen engen Befehlsbereichs nichts anderes existierte.
    Wieder Kanonenfeuer. Es klang, als versuchten sie, ein Schiff am Einlaufen zu hindern. Adam fiel ihm ein. Nein, ihn betraf es bestimmt nicht. Tyrrell war ein viel zu alter Fuchs, um sich so früh fangen zu lassen.
    Er schwenkte das Glas zum anderen Vorland herum, das sich eben aus dem Schatten schälte. An seinem felsigen Fuß erkannte er schon die weiße Brandung und weiter draußen die Kette größerer Felsblöcke, die ins Meer hinausragte und den bezeichnenden Namen Cape Despair, Kap der Verzweiflung, trug.
    Schritte polterten die Treppe herauf, und ein Melder erstattete Lemoine bellend Bericht. Der Leutnant wandte sich an Bolitho: »Meldung vom Flaggschiff, Sir: alle Boote ausgesetzt und Patrouillen alarmiert.«
    Bolitho konnte sie vor sich sehen, die kleinen Truppen der Marineinfanteristen, verstärkt durch ein paar Freiwillige der Inselmiliz. Eine kleine Streitmacht, aber wenn sie geschickt eingesetzt wurde, konnte sie wenigstens verhindern, daß durch den Riffgürtel Stoßtrupps angelandet wurden. Abgesehen davon gab es nur eine Zufahrt, eine sichere, und das war der Weg, den Keen nachts gewählt hatte. Aber wenn der Feind dort einen Durchbruch versuchte, würde ihm der alte Crokker mit seinen glühenden Kugeln tüchtig einheizen.
    Sonnenlicht floß die Hänge herunter und übergoß die Hafeneinfahrt mit Gold. Im Teleskop sah Bolitho das Wachboot dort langsam entlangrudern, befehligt von einem Midshipman, der im Heck stand und wahrscheinlich seine befristete Freiheit genoß.
    Lemoine sagte: »Da ist sie, Sir!«
    Das fremde Schiff rundete das Vorland, seine Segel verloren den Wind, als es wendete, füllten sich aber gleich wieder auf dem neuen Bug: ein großes, gut geführtes Fahrzeug. »Indienfahrer, Sir«, meldete sich wieder Lemoine. »Ich kenne ihn, es ist die
Royal James.
Vor einigen Monaten lag sie in Antigua.«
    Aus den Schießscharten beugten sich neugierige Männer, andere liefen unten auf der Pier nach vorn, um den Ankömmling besser sehen zu können.
    Bolitho kam zu einem Entschluß. »Ich kehre aufs Flaggschiff zurück, Mr. Lemoine. Sie werden hier ja allein fertig.« Er war schon die halbe Treppe hinabgelaufen, ehe der Leutnant antworten konnte.
    Die Mannschaft der Barkasse sprang auf, als Bolitho durchs Tor eilte. »Zum Schiff, Allday«, befahl er.
    Er ignorierte ihre Überraschung und versuchte sich darüber klar zu werden, was ihn so beunruhigte. Wenn der Verfolger nicht noch durch einen Zufallstreffer in seinem Rigg Schaden anrichtete, sollte der Indienfahrer sicher den Hafen erreichen können. Bei diesem starken Südost mußte sich das feindliche Schiff gut von der Leeküste freihalten – oder sich dem Kugelhagel der Kanonen stellen. Und jetzt, bei vollem Tageslicht, konnte Crocker eigentlich nicht danebenschießen.
    Die Riemen der Barkasse hoben und senkten sich in schnellem Gleichtakt, bis das Boot übers glatte Wasser zu fliegen schien.
    Plötzlich packte Bolitho Alldays Arm. »Kursänderung! Aufs Vorland zuhalten!« Als Allday zögerte, schüttelte er ihn und rief aus: »Ich muß blind gewesen sein! Dabei hat Lemoine mich unwissentlich darauf gebracht: Heute ist St. Damianstag!«
    Allday legte Ruder, so daß die Barkasse einen Bogen beschrieb, aber dennoch kam kein einziger der langen Riemen aus dem Takt.
    »Aye, Sir, wenn Sie’s sagen?«
    Er hält mich für verrückt, dachte Bolitho und erläuterte hastig: »Aber trotz des Feiertags ist noch kein einziges Boot von der Missionsinsel gekommen!«
    Immer noch starrte Allday ihn an.
    Bolitho blickte sich nach dem Wachboot um, aber das stand zu nahe an Land, dicht vor der Hafeneinfahrt, und jeder Mann im Boot hatte nur Augen für die
Royal James,
die jetzt gleich um den Landvorsprung brausen mußte.
    Bolitho hieb sich mit der Faust in die

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