Der Brennende Salamander
Bruder gehörte und unterhalb der Villa stand, liegt zusammengequetscht auf der Erde; die Tauben müssen davongeflogen sein bis auf zwei, die offensichtlich nicht rasch genug waren und nun tot in einem eisernen Netz hängen. Im Fischteich liegen die Fische mit weitgeöffneten Mäulern auf dem schlammigen Grund, da der Weiher geborsten und das Wasser abgelaufen ist.
Vom Tal herauf höre ich das Brüllen von Kühen, die vermutlich nicht gemolken wurden, ihr jämmerliches Muhen fräst sich in meinen friedlichen Tag wie der Lärm einer Säge. Aber ich weiß genau, daß ich den Kühen nicht helfen kann, ich kann sie nicht einmal orten. Noch verdeckt der Nebel den Teil des Abhangs, an dem gestern das Wasser den Berg hinaufschoß, aber ich hoffe, daß es inzwischen wieder seinen normalen Weg gefunden hat.
Ich schließe das Fenster, in dessen klemmenden Rahmen ich, damit die Flügel nicht aufgehen, zwei Nägel gehauen habe, und gehe zu dem Tisch, auf den ich den Becher mit dem seltsam verkrüppelten Ölbaumzweig gestellt habe. Die Oliven, die an ihm hängen, sind schwarz, sie sind voll ausgereift und vermutlich bei der späten Ernte vergessen worden. Ich schiebe eine von ihnen in den Mund – sie schmeckt wie alle rohen Oliven gallebitter.
Ich gehe wieder an meine Arbeit. Und ich stelle fest, daß ich Rocco vermisse, den einzig wirklichen Freund, den ich habe. Früher haben wir oft mit der Idee gespielt, daß wir möglicherweise Zwillingsbrüder sein könnten, da eine ganze Reihe der innocenti im Ospedale Zwillinge waren.
Vielleicht hat sie dich am ersten Tag abgeliefert und mich einen Tag später, mutmaßte Rocco.
Und weshalb sollte sie das getan haben? fragte ich, leicht verärgert darüber, daß ausgerechnet ich zuerst abgeschoben worden sein sollte.
Rocco zuckte mit den Achseln. Vielleicht hat sie festgestellt, daß ein Kind fast genausoviel Arbeit macht wie zwei.
Die Vorstellung, Zwillinge zu sein, hat damit zu tun, daß wir – um nur ein Beispiel zu nennen – ohne Schwierigkeit einen Gegenstand gemeinsam malen können, wie dies bei unserer Arbeit des öfteren notwendig wird: Der eine kann genau dort fortfahren, wo der andere aufhört. Einen grünen Überwurf mit Falten würde er ganz gewiß nicht in einen roten umwandeln oder gar den Faltenwurf verändern. Eine Tatsache, die uns außerordentlich zustatten kommt: Rocco, der bereits Meister ist, macht die Skizzen und führt dann die Gesichter, die Arme und Beine aus, falls sie nackt sind, ich male den Rest. Wenn manche Käufer später herumrätseln, wer was gemalt hat, erfüllt uns das stets mit leichter Bosheit, da sie nicht nur bei uns rätseln, sondern auch bei anderen Malern wie etwa Raffael.
Daß unsere Haarfarbe fast identisch ist, wir die gleiche Augenfarbe haben und unser Wuchs so ähnlich ist, daß man uns von hinten ohne weiteres verwechseln könnte, darf ebenfalls nicht übersehen werden. Aber während ich dies schreibe, muß ich zugeben, daß Rocco, dürfte er je lesen, was hier steht (was aus ganz bestimmten Gründen, die später zu erörtern sind, gewiß nie der Fall sein wird), protestieren würde. Er würde gewiß sagen, daß es kaum unterschiedlichere Wesen gibt als uns. Er würde als Beispiel anführen, wie er am Vorabend mit diesem Bett, Brigidas Bett, umgegangen wäre. Er hätte sich auf dieses Bett geworfen, Laken, Decken und Pfühle zu einem großen Knäuel geballt und unter sich begraben, um dieses Gebilde dann zu beschlafen. Dabei hätte er wollüstige Laute ausgestoßen wie ein Hirsch in der Brunft.
Und so bin ich wieder bei Brigida, der Tochter eines der reichsten Seidenhändler der Stadt, Brigida, die wir alle bewundern und begehren. Brigida, die ganz gewiß nicht unschuldig daran ist, daß wir – Rocco, Lazzaro, Leonello, der die bottega leitet, Daniele und ich – dank des Mäzenatentums ihres Vaters in dem großen Haus am Arno wohnen dürfen und dort unser Atelier, unsere Unterkunft und unsere Mahlzeiten haben.
Daß uns ihr Vater allerdings den Auftrag erteilt hat, diese Villa hier für ihre Hochzeit, die in Kürze stattfinden soll, herzurichten, weiß sie vermutlich nicht. Ich habe sogar den starken Verdacht, daß sie nicht einmal den Tag der Hochzeit weiß, weil er sie nicht interessiert. Und daß wir diesen Auftrag mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zur rechten Zeit erfüllen können, dürfte klar sein – auch ohne Erdbeben hätten wir damit Schwierigkeiten gehabt. Lazzaro hatte nämlich außerdem bereits den
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