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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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uns, all das sichtbar zu machen, das sichtbar werden soll, und dies gelingt uns ohne eine Übungstafel, die wir im Geist abhaken. Diese prospettiva gehört uns, ist ein Teil von uns geworden.
    Und wenn ich ehrlich sein soll, ich brauche die Bilder, die eines Tages die Kapelle schmücken werden, schon jetzt nicht mehr. Die Kreuzigung, die Kreuzabnahme, die Pieta, die Grablegung – für den Augenblick habe ich genug an diesem winzigen Bildausschnitt, in dem ich versinke, einem unbedeutenden Fleckchen Erde, das für heute mein Tagewerk sein wird.
    Ich mische die Farben auf meiner Palette, grüble über die verschiedenen Grüntöne, mache Proben auf der Rückseite von alten Kontobüchern. Das macht noch keinen Michelangelo, spottete Lazzaro einesTages, als er mich mit einem Packen dieser alten Bücher aus dem Keller auftauchen sah. Ich frage mich ohnehin, fuhr er fort, weshalb gerade er alte Kontobücher für seine Versuche benutzt hat.
    Wir fragen uns natürlich ständig irgend etwas, was wir nicht wissen, obwohl wir Zeitgenossen und Landsleute der Großen sind, um die uns so viele beneiden. Kommen die Meister von weit her wie zum Beispiel Dürer, so erweisen wir ihnen unseren Respekt, aber das ist auch alles. Sie gehören nicht zu uns. Und wie wir unsere prospettiva gestalten, verraten wir ihnen schon gar nicht. Es heißt, Dürer habe sich darüber in einem Brief mißmutig geäußert, weil die Maler in Italien nicht bereit waren, ihre Geheimnisse preiszugeben.
    Über dem Eingang zur Kapelle sollen später eine Reihe von Heiligen stehen, angeführt von einer Marienfigur. Diese soll durch Ornamente von einem großen Bild von Gottvater getrennt werden, darüber dann ein blauer Himmel, im Hintergrund Luzifer und die Hölle.
    Vor zwei Tagen malte ich den Arm der Jungfrau, die das Jesuskind hält. Ich malte ihn mit einer Andacht, daß mir die Tränen kamen, und stellte mir vor, wie es sein muß, so gehalten zu werden. Ich schäme mich der Tränen nicht, heißt es doch, daß Fra Angelico nie ein Kruzifix gemalt habe, ohne Tränen dabei zu vergießen. Das Kreuz in dieser Kapelle wird mir mehr als Mühe bereiten: Sie wollen die Nagelung exakt, zwei Leitern aufgestellt, darunter die Schergen mit ihren groben Gesichtern, mit Händen, die voller Wollust die Nägel durch das Fleisch hauen. Der Schmerz wird nicht nur im Gesicht des Gekreuzigten sichtbar sein, sondern auch im Gesicht des Malers, auch wenn ihn dort niemand sieht. Ich weiß, daß ich nie sonderlich gut war für diese Art von Bildern, daß ich stets das Gefühl hatte, ich nagle Jesus persönlich ans Kreuz. Aber ich habe Rocco ganz bewußt nie von diesen Schwierigkeiten erzählt, da ich weiß, daß er es nicht schätzt, wenn einer Schwäche zeigt, schon gar nicht einer, der die gleiche Herkunft hat, denn bei Rocco scheint diese Herkunft in den Urschlamm hinabgesunken zu sein, ins Vergessen. Ihn störte bereits, als ich einmal ein Jesuskind zeichnete, das mir angeblich ähnlich sah, obwohl ich nichts weiter tat, als eines der Findelkinder abzuzeichnen, die der Maler und Bildhauer Andrea della Robbia in den Medaillons unseres Ospedale gestaltet hatte. Sachlichkeit also ist gefragt, keine Sentimentalität. Wenn wir neben einem fremden Bild stehen und es analysieren, dann gebärdet sich Rocco, als löse er eine Dreisatzaufgabe oder ein geometrisches Problem – seine Gefühle hält er versteckt. Er ist, wenn er skizziert, ein Rötelstift, nichts weiter als dies, ein Stift, der zu funktionieren hat, nichts anderes sonst.
    Am späten Nachmittag stellte ich fest, daß es außer den aufgeworfenen Fliesen im Flur noch weitere Zerstörungen im Haus gab. In einer großen Vitrine im Wohnraum lagen die Scherben kostbarer Gläser, die bei dem Beben zu Bruch gegangen waren, daneben eine Weinkaraffe, die ihr Schnäuzchen verloren hatte. In der Bildergalerie war eine ganze Reihe von Bildern zu Boden gestürzt, bei einem war die Farbe an einer Ecke abgeplatzt.
    Ich verbrachte den Abend damit, die Bilder, die im Flur hingen, zu überprüfen, und ging dann in die Küche, um mit Genuß ein Mahl einzunehmen, für das ich mir besondere Mühe gemacht hatte, da Sonntag war: Ich hatte mir aus den Vorräten im Keller ein Ochsenschwanzragout zusammengestellt und dazu heiße Fladen gebacken, die ich mit Schmalz bestrich. Zum Nachtisch genehmigte ich mir ein kleines Töpfchen mit Latwerge.
    Ich hatte mich auch entschlossen, die Kleider zu wechseln, obwohl ich mir dabei lächerlich vorkam. Ich

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