Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
die Baumafia aufblatteln dürfen, damit auch einmal die Großen drankommen. Aber was hätte er schon ausrichten können? Der Stachl und der Kressdorf waren tot, alles, was eventuell noch zum Vorschein gekommen wäre, hätte man den beiden in die Schuhe geschoben. Und da hat der Brenner eben gesagt, schau ich lieber, dass ich es für die Südtirolerin richten kann. Weil wer soll ihre Blumen gießen, wenn sie monatelang weggesperrt wird. Und da siehst du, es war auch ein Eigennutz dabei, weil er hat Angst gehabt, dass sie ihn um das Blumengießen bittet.
    Wie er sie angerufen und ihr mitgeteilt hat, dass sie nicht viel befürchten muss, hat sie nur gesagt: »Das hab ich gleich gesehen, dass du ein anständiger Mensch bischt. Aber könntest du mir einen Gefallen tun?«
    Der Brenner natürlich ein bisschen enttäuscht, weil seiner Meinung nach hat er ihr ja gerade einen Gefallen getan. Aber andererseits war er froh über die Gelegenheit, sie noch einmal zu treffen. Du musst wissen, auf die Frage, was für einen Gefallen, hat sie nur gesagt: »Nicht am Telefon. Aber wenn du in zwanzig Minuten da bischt, ischt der Espresso noch warm.«
    In ihrer Wohnung hat er sich dann zuerst ein bisschen fremd gefühlt.
    »Hier ist ja alles neu.«
    Und so ein Satz ist aus dem Mund vom Brenner kein Kompliment.
    »Wegen dem Blut hab ich den Maler und den Bodenschleifer gebraucht. Und wegen dem Maler und dem Bodenschleifer hab ich die Möbel hinaustun müssen. Und weil sie schon draußen waren, hab ich sie gleich vom Entrümpler abholen lassen. Ich bin froh, dass ich den alten Krempel los bin.«
    »Und die Pflanzen?«
    »Die sind in den anderen Zimmern. Die muss ich erst wieder herüberstellen.«
    »Und das hast du nicht am Telefon sagen können, dass du mich dafür brauchst?«
    »Die Pflanzen stell ich mir schon selber herüber. Aber vielleicht nur ein paar. Es sind zu viele geworden. Ich bin doch kein Affe, der im Dschungel lebt, oder?«
    »Mir haben sie gefallen.«
    »Ischt mir gar nicht aufgefallen, dass du so ein grünes Bürscherl bischt.«
    »Und was brauchst du dann von mir?«
     
    Die Südtirolerin hat ihn strahlend zum Küchenfenster geführt und auf die Straße hinausgedeutet, wo ein fabrikneuer VW - Bus mit Wechselkennzeichen gestanden ist. »Du musst das Auto für mich einfahren. Ich bin schon so lange nicht mehr selber gefahren. Wäre schade drum, wenn ich ihn falsch einfahre.«
    »Ein VW-Bus?« Dem Brenner ist fast das Lachen ausgekommen. »Was willst du mit einem VW-Bus?«
     
    »Da kann man auch einmal wen mitnehmen.« Während der Fahrt ist sie strahlend wie ein Firmkind neben ihm gesessen und hat abwechselnd den Brenner und die Fußgänger und die Autos und die Radfahrer und die Geschäfte betrachtet. Und alle paar Minuten, wenn der Brenner aufs Gas gestiegen ist oder gebremst hat oder abgebogen ist, hat sie erwartungsvoll gesagt: »Und? Geht er gut?«
    »Tadellos«, hat der Brenner geantwortet, aber zwischendurch hat er immer wieder damit angefangen, dass ein kleineres Frauenauto für sie besser gewesen wäre, ein Polo oder ein Mini oder ein Franzose oder eine Micra Mouse, und ob sie den Bus nicht noch umtauschen kann. Aber das war, als hätte er nur mit der Windschutzscheibe geredet, weil bei der nächsten Ampel die Südtirolerin wieder erwartungsvoll: »Und? Geht er gut?«
    »Ich muss ihn noch ein bisschen treten«, hat der Brenner gesagt und ist an der Donau entlang Richtung Klosterneuburg gefahren. Ein paar Meter nach der Ortstafel ist er schon auf 120 gewesen, und die Südtirolerin hat zufrieden festgestellt: »Der hat schon einen Zug.«
    Wie die gewaltigen Bronzelöwen beim Wasserwerk an ihnen vorbeigewischt sind, hat sie gestrahlt: »Es ist schon gut, wenn man einmal hinauskommt aus der eigenen Straße.«
    Ob du es glaubst oder nicht, es hat sich dann herausgestellt, dass sie sich seit dreieinhalb Jahren nicht weiter von ihrer Wohnung weggetraut hat als die paar Meter zur Tankstelle auf der anderen Straßenseite. Bis zu dem Tag, wo der Brenner nicht wie vereinbart zurückgekommen ist und sie sich auf den Weg gemacht hat, um die Helena zur Polizei zu bringen.
    Der Brenner hat es ihr zuerst nicht glauben wollen, aber sie hat nur gesagt: »Auf der Tankstelle kriegt man ja alles.«
    Aus ihrem Mund hat sich das angehört, als wäre es eine ausreichende Erklärung dafür, dreieinhalb Jahre lang die eigene Straße nicht zu verlassen. Der Brenner war nur froh, dass sie sich genau an dem Tag hinausgetraut hat, wo sie ihm

Weitere Kostenlose Bücher