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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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auch noch hineinwerfen will.
    »Zumachen«, hat der Kressdorf gesagt. »Was glauben Sie, wozu ich Sie wieder heraufgeholt habe.« Weil unglaublich, der Kressdorf immer noch korrekt und per Sie mit dem Herrn Simon. »Sie brauch ich noch. Und die paar Bretter sind schnell wieder entfernt. Aber es soll kein Unschuldiger hineinfallen.«
    Dann hat er den Brenner in die Dusche geschickt und ihn seine sauberen Jagdsachen anziehen lassen. Und dann sind sie nach Wien gefahren, die Helena holen.
     

21
     
    Eines hat mir am menschlichen Gehirn nie gefallen. Dass es oft in den gefährlichsten Situationen noch auf die blödesten Kleinigkeiten Wert legt. Da stört dich am Henker, dass er ein schlechtes Rasierwasser verwendet, da stört dich am Arzt, dass er deinen Rachenkrebs mit einem Zungen-R ausspricht, und da stört dich am Ehering, dass du ihn nicht von der Steuer absetzen kannst. Und ob du es glaubst oder nicht, den Brenner hat es jetzt gestört, dass er ausgerechnet in das Kostüm eines Jägers schlüpfen soll, während er vom Kressdorf ins Visier genommen wird.
    Aber da muss ich den Kressdorf verteidigen. Was soll er machen, es war einfach kein anderes Gewand da. Und soll er den Brenner vielleicht in seinem vor Klärgrubendreck stehenden Gewand auf seinen Ledersitzen Platz nehmen lassen? Aber gar so hetzen hätte er ihn auch wieder nicht müssen. Als wäre es auf die paar Sekunden jetzt noch angekommen. Wie der Brenner erst zwei Hirschhornknöpfe zugehabt hat, ist der Kressdorf schon ungeduldig geworden und hat ihn ins Auto getrieben.
    Damit ihm der Kressdorf nicht anmerkt, wie schlecht er sich fühlt, hat der Brenner im Auto gesagt: »Heute haben wir wirklich etwas zur Verjüngung der Gesellschaft beigetragen.« Aber der Kressdorf hat nicht reagiert, nur immer schön auf den Brenner gezielt, damit er nicht bei der Ausfahrt aus Kitzbühel falsch abbiegt. Jetzt hat der Brenner, als wäre die Seele des frischverstorbenen Witzerklärers in ihn gefahren, noch gesagt: »Weil vier alte Deppen gegen ein Kind getauscht, da kann die Gesellschaft nichts dagegen haben.«
    Aber der Kressdorf hat gesagt, er soll das Maul halten und sich aufs Fahren konzentrieren. Er hat dabei offen gelassen, ob er den Herrn Simon gesiezt oder geduzt hat, weil einfach kurz und bündig: »Maul halten.«
    Wie der Brenner ihm die Geschichte von der zufälligen Entführung durch die Südtirolerin erzählt hat, ist ihm zwar vorgekommen, dass er den Kressdorf doch wieder halbwegs erreicht, aber wie er gerade zu hoffen angefangen hat, dass er ihn mit diesen Enthüllungen noch einmal umdrehen und auf seine Seite ziehen kann, unterbricht der Kressdorf ihn wieder mit einem vollkommen emotionslosen »Maul halten«.
    So hat der Brenner wenigstens genug Zeit zum Nachdenken gehabt, wie er am besten tun soll, damit der Kressdorf ihn nicht erschießt, sobald er das Kind hat. Oder wenn er ihn schon erschießt, wie er verhindern kann, dass er die Südtirolerin auch noch erschießt. Weil eines ist klar. Wenn du einmal so weit bist wie der Kressdorf, dann fackelst du bei einem Zeugen nicht mehr lange mit Gut-Zureden, sondern du wischst ihn weg wie einen Fliegendreck, weil keine Sentimentalität.
    Aber je länger er nachgedacht hat, umso aussichtsloser ist ihm seine Lage vorgekommen. Jetzt hat er zwischen Amstetten und St. Pölten doch noch einmal versucht, den Kressdorf in ein Gespräch zu verwickeln. »Was hat der Knoll mit seinen Kameras über Ihre Frau herausgefunden, dass Sie ihn deshalb umgebracht haben?«
    »Gar nichts.«
     
    Aber interessant. Weil der Brenner geglaubt hat, »gar nichts« heißt so viel wie »Maul halten«, ist ihm völlig entgangen, dass der Kressdorf gerade angefangen hat, ihm die Wahrheit zu erzählen. Vielleicht war das Verstummen vom Brenner aber auch gerade gut, weil wie sie nur noch zwanzig Kilometer von St. Pölten entfernt waren, hat der Kressdorf einfach weitergeredet. »Über meine Frau hat der Knoll nichts gefunden, sondern über mich. Wie Sie wissen, ist mein Büro in München.«
     
    Über diesen Satz hat der Kressdorf wieder fünf Minuten nachgedacht, als hätte er in den Wörtern »München« und »Büro« eine Erklärung für das ganze Unglück der Welt entdeckt.
     
    »Deshalb hab ich in Wien manchmal das Büro meiner Frau benutzt und im Kliniksafe das Schwarzgeld aufbewahrt. Einmal hab ich mich mit dem Obersenatsrat Stachl zu einer Schmiergeldübergabe dort getroffen. Und das hat der Knoll mit seiner Überwachungskamera

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