Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
jenseits alles Ökonomischen und Taktischen: bitte, vertrauen Sie in dieser Sache meinem Urteil. Es ist absolut richtig, wenn »Korrektur« im 2. Halbjahr erscheint und im Herbst vorliegen wird. Ich bitte Sie dringlich, das noch einmal zu bedenken.
Mit herzlichen Grüßen
— wie immer —
Ihr
Siegfried Unseld
1 In der Programmvorschau des Suhrkamp Verlags für das zweite Halbjahr 1974 ist Korrektur auf S. 2 angekündigt.
[295; handschriftliche Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
5. Juni 1974
Überweisung läuft stop bitte nochmals dringlich um Manuskript »Korrektur«. Soll ich am 16. Juni nach Salzburg zu einem Treff am Flughafen kommen.
Herzlich SU
[296; Telegramm]
Ohlsdorf
7. Juni 1974
mit herbsttermin einverstanden bringe manus via frankfurt persoenlich letzte juniwoche
herzlich thomas bernhard
[297; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
10. Juni 1974
Lieber Thomas Bernhard,
ich bedanke mich sehr herzlich für das Telegramm, das für mich eine große Erleichterung bedeutet und für unsere gemeinsame Sache die einzig richtige Entscheidung gewesen ist. Ich freue mich also sehr, Sie in der letzten Juni-Woche hier zu sehen. Mein Vorschlag wäre: Mittwoch, Donnerstag, Freitag, also 26., 27. und 28. Juni. Am 26. abends bin ich freilich für die Oper gebucht. Anja Silja singt Schönbergs »Erwartung«. Der Titel trifft durchaus meine Situation. Wollen Sie nicht mit in die Oper gehen?
Herzlich
Ihr
Siegfried Unseld
[299; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
17. Juli 1974
Lieber Thomas Bernhard,
ich warte täglich auf einen reitenden Boten! Doch nehme ich an, daß Sie mir das Manuskript doch persönlich übergeben wollen. Dazu möchte ich Ihnen folgenden Vorschlag machen: meine Frau und ich kommen am Donnerstag, dem 25. Juli, nach Salzburg und wohnen im Hotel Seehof. Sollten wir uns nicht abends um 20 Uhr dort treffen? Dr. Rach wird Ihnen auch einen Terminvorschlag machen, der zu dem von mir genannten paßt. 1
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1 Rudolf Rach schreibt zum geplanten Salzburg-Besuch in seinem Brief an Th. B. vom 17. Juli 1974:
»[. . .] werde jetzt erst am 24. Juli morgens anreisen. Mit mir kommt die Fotografin Digne Meller Marcowicz, die die Endproben fotografieren wird, da wir das Programmheft [für die Tournee von Die Macht der Gewohnheit ] [. . .] vornehmlich mit Fotos gestalten möchten. Neben den Fotos für das Programmheft möchten wir jedoch auch Aufnahmen von Ihnen machen, da Johannes Schütz, der Assistent von Minks [dem Bühnenbildner der Aufführung], der das Plakat entwerfen soll, mit einem Foto von Ihnen operieren möchte. Für diese Aufnahmen gäbe es, soweit ich sehe, zwei Möglichkeiten. Entweder kämen Frau Meller Marcowicz und ich am Nachmittag des 25. Juli nach Ohlsdorf, oder aber Sie kommen am Morgen des 25. nach Salzburg zur Probe, damit wir die Aufnahmen in Salzburg selbst machen können. Bitte lassen Sie mich wissen, welcher Termin Ihnen genehm ist.« Das Programmheft, zwölf Seiten stark, hat neben dem Titelblatt sieben Schwarzweißaufnahmen von Digne Meller Marcowicz.
S. U. trifft Th. B. anläßlich der Uraufführung von Die Macht der Gewohnheit bei den Salzburger Festspielen am 27. Juli 1974; Regie: Dieter Dorn, Bühnenbild: Wilfried Minks, Caribaldi: Bernhard Minetti, Enkelin: Anita Lochner, Jongleur: Fritz Lichtenhahn, Dompteur: Hans Peter Hallwachs, Spaßmacher: Bruno Dallansky. S. U. schreibt in seinem Reisebericht Salzburg—Ohlsdorf—Großgmain, 25.-29. Juli 1974 :
»Im übrigen drehte sich in diesen Tagen, trotz der verunglückten Karajan / Strehlerschen ›Zauberflöte‹, alles um Thomas Bernhard . Die Uraufführung des neuen Stückes ›Die Macht der Gewohnheit‹ war wieder von Schwierigkeiten umwittert, und es war sicher so, wie ein Kritiker schrieb: ›An diesem Abend wurde alles auf eine Karte gesetzt, und die Karte stach.‹ Ein hervorragendes Ensemble, gut geführt von Dorn, ein Stück mit großen Schwierigkeiten, auch Längen. Aber es kam an, wenn auch in Form einer Gratwanderung, ja, es wurde ein Erfolg. Bernhard war bei der Generalprobe, nicht jedoch bei der Premiere anwesend. Der Beifall war groß, aber es waren auch einige Buhrufer da, die den Regisseur Dorn mit Bernhard verwechselten. [. . .]
Mit Bernhard war ich zweimal ausführlich zusammen. Große Enttäuschung! Er will sein Manuskript zum jetzigen Zeitpunkt nicht herausrücken. Es ist fertig, aber nicht vollkommen, es hat
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