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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Vielleicht mache ich mit dem Manus mit dem Flugzeug in Frankfurt Station und wir sprechen dort kurz über tatsächlich Offenes.
    Herzlich Ihr
    Thomas Bernhard
    1   Statt mit der von Th. B. übersehenen Wiederholung von »bitten muß« könnte der Satz z. B. mit »zu entsprechen« oder »nachzukommen« enden.

[293]
     
    Ohlsdorf
    30. 5. 74
    Lieber Doktor Unseld,
    ich habe noch heute den unterschriebenen Vertrag an Herrn Zbinden nach Zürich geschickt; es nicht zu tun, besteht keine Veranlassung. 1
    Unser Telefonat war mehr oder weniger das unerfreulichste, aber wahrscheinlich müssen solche Telefonate sein.
    Wir missverstehen uns gründlich.
    Was die »Korrektur« betrifft, so treffe ich jetzt keine Entscheidung. Es ist richtig, dass ich sozusagen bestimmt habe, dass das Buch also jetzt erscheint, aber ich empfinde es jetzt nicht richtig, dass es erscheint.
    Zuerst will ich die Überweisung aus der Schweiz abwarten und dann vierzehn Tage das Inland mit dem Ausland wechseln und in der Zwischenzeit wird es sich zeigen, was geschieht.
    Ich bin gut in dem neuen Stück und weit entfernt von den alten, aber wenn ich mit Ihnen telefoniere, zwingen Sie mich auf den längst verlassenen Ort.
    Meine Unabhängigkeit ist die grösste, daraus erklärt sich meine Gleichgültigkeit, die alltäglichen Lebensmittel betreffend.
    Ich könnte durchaus meinen Weg vollkommen allein gehen. 2
    Herzlich Ihr
    Thomas B.
    1   Es handelt sich um den Aufführungsvertrag für Die Macht der Gewohnheit zwischen Th. B. und der Suhrkamp Verlag Zürich AG.
    2   Rechts oben trägt der Brief die handschriftliche Anmerkung von S. U.: »Mittels Telegr[amm]. erl[edigt].« Siehe Brief 295.

[294; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    31. Mai 1974
    Lieber Thomas Bernhard,
    ich möchte Ihnen noch einmal wegen des Termins der »Korrektur« schreiben. Sicher, die beiden Uraufführungen neuer Stücke folgen rasch und bedeuten eine Kumulierung, doch was gewinnen wir bei einem Verschieben ins Jahr 75? Im Mai haben wir dann an der Burg die neue Uraufführung, und also würden Erscheinungsdaten wieder zusammenfallen. Und denken Sie doch bitte auch an Ihren Plan »Erinnern« für die Bibliothek Suhrkamp, den wir spätestens 1975 realisieren sollten.
    Doch noch einmal zur Situation des Bernhard-Jahres 1974. Bitte, trauen Sie meiner Erfahrung. Die Rezeption eines Romanes erfolgt unter ganz anderen Gesichtspunkten als die eines Theaterstückes. Die Kritiker sind andere, und der Buchhandel reagiert auf einen Roman anders, umfangreicher, interessierter als auf Ausgaben von Stücken, selbst wenn diese, was doch der beste Platz ist, in der Bibliothek Suhrkamp erscheinen. Das sind wirklich ganz verschiedene Sachen.
    Und ich habe noch ein ganz anderes Argument: Übelwollende könnten Ihnen vorwerfen, Sie verengten Ihr Haupt-Thema für die Bühne. Der Roman »Korrektur« zeigt den großen epischen Gegenentwurf. Ich kann mir vorstellen, daß Sie am Ende dieses Jahres 74 mit den beiden Stücken und mit »Korrektur« als erster großer bedeutender Autor des deutschsprachigen Raums angesehen werden. Das ist das eine.
    Und das andere: wir haben jetzt die Möglichkeit, daraus auch einen ökonomischen Erfolg zu machen und die Bücher sehr gut zu verkaufen. Auch das müssen wir ausnützen. Das ist sicherlich weniger Ihr Interesse als das meine, aber so ganz sind unsere Interessen in diesem Punkt ja auch nicht getrennt.
    Ich schicke Ihnen in der Anlage das Verzeichnis Neue Bücher 2. Halbjahr 74. Ich schicke es Ihnen mit Zögern und Vorbehalt, weil ich ja weiß, daß Sie auf manche Publikationen des Verlages allergisch reagieren. Aber, lieber Thomas Bernhard, Sie sind hier an sichtbarer und erster Stelle genannt. Wenn das Buch in diesem Halbjahr nicht erscheint, so ist das ein wirklicher Schaden für Sie als Autor (man würde Sie für nicht mehr potent genug halten, das abschließen zu können) und für uns als Verlag, der ein Buch anzeigt – und es an hervorragender Stelle als bedeutendstes Buch anzeigt —, das dann nicht erscheint. 1
    Ich möchte Sie auch noch einmal an unsere finanziellen Vereinbarungen erinnern. Diese Vereinbarungen sehen vor, daß dem Verlag zur Endabrechnung die Erlöse aus der »Korrektur« zur Verfügung stehen müssen. Wenn »Korrektur« 1974 nicht erscheint, hängt unsere ganze finanzielle Vereinbarung in der Luft. Und wir kommen nicht zu jenem Schlußstrich, den wir uns doch beide wirklich vorgenommen haben.
    Lieber Thomas Bernhard,

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