Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
der Garderobe seinen Mantel abholte, sagte der Garderobenmann zu ihm: ›Gefällt Ihnen das Stück auch nicht?‹
Die Inszenierung fand ich mustergültig, choreographisch streng aufs Wort angelegt. Es war schade, daß wegen eindeutig akustischer Schwierigkeiten der zweite Akt deutlich durchhing, langsam wirkte, und die bohrende Monotonie manchmal doch auch in Langeweile umschlug. Das Publikum wurde unruhig, ein erster Zwischenrufer, dann aber kam die Steigerung zum dritten Akt und der wirklich großartige Schluß. Die Geister schieden sich am Stück, die Hälfte des Publikums verließ mit dem Fallen des Vorhangs den Raum, die andere Hälfte drückte eine wachsende Zustimmung aus.
Anschließend Gespräche mit Klingenberg , Peymann , Hilde Spiel , in der Nacht noch eine kleine Party bei der Frau des österreichischen Parlamentspräsidenten Maleta , die wohl das Urbild der Generalin ist (ihr Mann, kurze Zeit interimistisch österreichisches Staatsoberhaupt, lieh sicherlich auch dem General einige Züge).
Der Sonntag war dem Gespräch mit Thomas Bernhard und mit österreichischen Verlagen vorbehalten.
Thomas Bernhard : er war wie immer. Natürlich erleichterte und erlöste ihn die Reaktion auf die Aufführung, aber im Grunde genommen war sie für ihn schon ›vergessen‹, und er war wieder derjenige, der in vollkommener Besessenheit auf Gegenwärtiges und Zukünftiges, auf Geld und Arbeit eingestellt ist. In der ersten Minute fiel das Stichwort Geld, er wünsche sich wieder eine größere Summe und schien äußerst erleichtert, als ich sie zusagen konnte. Aufgrund dieser Zusage unterließ er jene Sottisen, die er mir in der Nacht angekündigt hatte (dort hatte ich freilich den Fehler gemacht, daß ich in einem einminütigen 17-und-4-Kartenspiel, das in der ›Jagdgesellschaft‹ ja eine Rolle spielte, 2:1 gegen ihn gewann). In einem Barsortimentskatalog, den er freilich nicht mehr dem Namen nach wußte, seien sein Name und seine Titel falsch angegeben. Seit wann ihm der Theaterverlag ›Spectaculum‹-Honorare überweise? Das Zugeständnis Wiesbaden sei dem Kollegen Jürgen Becker zuliebe erfolgt, selbstverständlich bedeute dies keine generelle Freigabe. [Th. B. erklärt in einem Brief vom 21. April an Jürgen Becker seine Zusage zu einer Aufführung der Jagdgesellschaft am Staatstheater Wiesbaden. Sie findet am 8. September 1974 statt.] Hier habe ich nun heftig widersprochen. Nach Wiesbaden seien andere Theater kaum zu halten. Dann wechselte er über zu dem einerseits-andererseits-Brief von Dr. Rach zu den Pariser Aufführungen: wenn nichts gut sei, soll man nichts autorisieren. Nach Lage der Dinge, so meine ich, sollte man Voisins Rat folgen, der doch Erfahrungen auf dem französischen Gebiet hat [Rudolf Rach erwägt im Brief an Th. B. vom 25. April 1974 Möglichkeiten einer französischen Aufführung von Der Ignorant und der Wahnsinnige : »Eine dritte Möglichkeit wäre natürlich die, gar keine Aufführung zu autorisieren, denn sowohl Voisin als auch ich sind der Auffassung, daß beide Möglichkeiten als nicht ideal angesehen werden können. Andererseits werden die Pläne [. . .] auf keinen Fall vor der Spielzeit 75/76 realisiert werden können.«].
Das Manuskript der ›Korrektur‹ wird Bernhard spätestens Ende Mai fertigstellen, wir können damit sicher rechnen. Er erwähnte auch, daß ›Amras‹ nun lange fehle, ich deutete ihm aber an, daß wir Pläne mit SLZ (welche ihm sehr einleuchtete) haben. [Die erste Nummer der vor allem für Schüler gedachten Suhrkamp-Literatur-Zeitung erscheint im Januar 1975. Im April 1976 wird dort nicht Amras , sondern Verstörung publiziert.]«
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Ohlsdorf
8. 5. 74
Lieber Doktor Unseld,
bevor ich die Fahnen der »Macht der Gewohnheit« nicht durchgesehen habe, kann das Buch nicht gemacht werden; ich schicke das kontrollierte Paket morgen nach Frankfurt.
Nach meiner Rückkehr sehe ich, dass ich den von mir genannten Betrag unbedingt innerhalb von vierzehn Tagen auf meinem Freilassinger Konto stehen haben müsste, will ich nicht unnötig eine horrende Zinssumme an meine Bank zahlen. Ich glaube, Sie verstehen, dass ich auf die Überweisung drängen und Sie bitten muss, meinem Wunsch nach dieser möglichst baldigen Überweisung des Betrages in voller Höhe auf das Konto in Freilassing bitten muss. 1
Wien ist gut vorübergegangen, jetzt hat sich alles auf Salzburg zu konzentrieren.
Die »Korrektur« wird abgetippt und geht, bin ich fertig, an Sie ab.
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