Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Main
26. November 1975
Lieber Thomas Bernhard,
Sie klangen neulich verärgert am Telefon. Es tat mir leid, daß wir uns nicht sehen konnten, aber meine Wiener Termine waren so fest eingeteilt, daß ich keinen Zwischenausflug nach Ohlsdorf unternehmen konnte, und leider macht ja auch die AUA auf dem Weg von Wien nach Frankfurt nicht in Salzburg Station.
Hier stehen die Dinge soweit ganz gut, mit den üblichen Schwankungen.
Die Sache Thomas Bernhard steht jedoch sehr gut. Ich bin sicher, daß wir das Vorgenommene erreichen.
Im Januar 1976 ist die Aufführung der »Macht der Gewohnheit« im Stadtoneel in Amsterdam. Werden Sie hinfahren?
Ich war in Paris. Dort ist man jetzt deutschsprachigen Stücken gegenüber aufgeschlossener als früher. Ich beobachtete auch ein Interesse an der »Macht der Gewohnheit«. Übrigens, Gallimard hat auf unser Drängen hin die »Korrektur« angenommen.
Die holländische Ausgabe des »Kalkwerk« wird im Herbst 1976 erscheinen. Der Verlag hat darum gebeten, die Entscheidung über die »Korrektur« erst später treffen zu müssen. Schweden hat mit »blutendem Herzen« abgesagt, vom »Kalkwerk« seien nur 200 Exemplare verkauft worden, doch meint man, daß man zu einem späteren Zeitpunkt mit der »Korrektur« herauskommen könnte.
Im Programm der Bibliothek Suhrkamp steht für das erste halbe Jahr im April »Amras« und für die Aufführung dann »Die Berühmten«. Es ist jetzt Ende November. Ich nehme an, Sie schicken den Text wie vereinbart Klingenberg, und hoffentlich auch mir, zu.
Ich traf übrigens Klingenberg in Wien bei der, wie ich meine, verunglückten Strehler-Premiere. Klingenberg und ich stimmen über das Procedere überein. 1
Ich schreibe Ihnen diese Zeilen, damit wir eine Verbindung halten für den Fall, daß wir uns in diesem Jahr nicht mehr sehen. Werden Sie die letzten Wochen oder Tage des Jahres in Ohlsdorf verbringen, oder reisen Sie? Vielleicht in Breiten, wo man Sie auch »zwischen den Jahren« sehen könnte?
Herzliche Grüße, wie immer,
Ihr
Siegfried Unseld
P. S.: Es ist doch merkwürdig: kaum erwähne ich Klingenberg, schon meldet er sich. |telephonisch aus Wien:| Peymann ist erst für Ende Juni frei, dann wäre es für die Festwochen zu spät. Es meldete sich jedoch Dorn bei ihm, durch einen Zufall sei er für das Frühjahr frei, und fragte nach einer Inszenierung. Klingenberg könnte unter der Voraussetzung, daß Sie zustimmen — ich zweifle nicht an dieser Zustimmung —, Dorn dann beauftragen. Doch wird für Klingenberg alles darauf ankommen, ob und wie er Ihr Stück besetzen kann. Er muß das in der ersten Dezemberwoche entscheiden.
1 Am 12. November besucht S. U. im Wiener Burgtheater die Uraufführung von Das Spiel der Mächtigen von Giorgio Strehler nach William Shakespeares Heinrich VI. Die Chronik vermerkt über die Begegnung mit Klingenberg unter dem Datum Wien, 10.-13. November 1975 : »Gespräch mit dem Intendanten der Wiener Burg, Herrn Klingenberg. Dauer: eine Minute.
Das Kultusministerium hat ihm aus Spargründen zwei große Vorhaben untersagt, das erste eine ›Faust‹-Inszenierung, das zweite das neue Bernhard-Stück [ Die Berühmten ].
Er möchte, nachdem er das Stück gelesen und sich positiv entschieden hat, sagen können, wir hätten mündlich den Vertrag vereinbart.«
1976
[332; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
3. Februar 1976
Lieber Thomas Bernhard,
ich melde Ihnen die Ausgabe der Filmgeschichte »Der Kulterer« in den suhrkamp taschenbüchern. Wir drucken eine Auflage von 10 000 Exemplaren, Ladenpreis DM 4,—. Die Verrechnung erfolgt über den Residenz Verlag.
Ein Exemplar ging Ihnen von uns aus bereits zu. Die restlichen Exemplare erhalten Sie vom Residenz Verlag. 1
Herzliche Grüße,
Ihr
[Siegfried Unseld] 2
1 Th. B. arbeitet die Erzählung Der Kulterer zu einer Filmerzählung um (siehe Anm. 2 zu Brief 271 sowie Th. B.: Werke 11 , S. 366-371).
2 Knapp zwei Wochen zuvor, am 22. Januar, trifft Th. B. in Frankfurt S. U. In der Chronik heißt es:
»Thomas Bernhard im Verlag; er hat sich überraschend angemeldet, er war in Brüssel und hatte sich dort ›verwöhnen‹ lassen. Er war in bester Laune, und er übergab mir Manuskripte für nicht weniger als zwei Stücke: ›Die Berühmten‹ und ›Minetti. Ein Portrait des Künstlers als alter Mann‹.
Er ist in blendender Verfassung, freut sich über den BS-Prospekt, der gerade fertig geworden ist, und machte über jeden
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