Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
aufgeräumt, und in dieser Stimmung wollte ich mit ihm ja auch noch einmal über seine Absicht sprechen, ein neues Buch Schaffler zu geben. Dies erklärte er mir so:
Ich hätte ihn in Wien in einer schwierigen Situation nicht nur nicht unterstützt, sondern im Stich gelassen. Ich hätte ihn kritisiert wegen seines Offenen Briefes an Canetti. Ich hätte immer wieder gesagt, daß dieser Brief ihm Schaden zufüge, und hätte mich nie darüber geäußert, welchen Schaden Canetti ihm mit seiner Rede zugefügt habe. [ Die Zeit druckt am 6. Februar 1976 die Rede von Elias Canetti anläßlich der Entgegennahme des Ehrendoktors der Universität München unter dem Titel Der Beruf des Dichters , in der er unter eindeutigem Bezug auf Th. B. als »Jemand, der schreibt« (so dessen Selbstbezeichnung in Drei Tage , siehe Anm. 1 zu Brief 115), ausführt: »[. . .] aber auch andere [. . .], die bittere und sehr begabte Bücher verfaßten, brachten es ›als Jemand, der schreibt‹, sehr bald zu Ansehen und taten nun, was frühere Dichter zu tun pflegten: Statt zu verstummen, schrieben sie dasselbe Buch immer wieder. So verbesserungsunfähig und todeswürdig die Menschheit ihnen erschien, eine Funktion war ihr geblieben: ihnen zu applaudieren.« Am 27. Februar veröffentlicht Die Zeit einen Brief von Th. B., in der Canetti als »Aphorismusagent«, »Schmalkant« und »Kleinschopenhauer« apostrophiert wird.] Er hätte vermißt, daß ich ihn in Schutz nehme. Am nächsten Morgen hätte er Schaffler angerufen und hätte ihm gesagt, daß er das Buch [ Der Keller ] haben könne. Natürlich ohne jede Vorauszahlung und ganz normal 10%, wie ja auch ›Die Ursache‹. Es sei ja ein Neben-Werk, eine Fortführung der ›Ursache‹, eine Salzburger Geschichte, eher lokal undsoweiter. Ich blieb bei diesem Punkt und blieb hartnäckig, doch auch er sagte, er hätte nun einmal Schaffler das Versprechen gegeben. Dann wiederum fragte er, eher kleinlaut: ›Wollen Sie mich nun so entlassen wie Barbara Frischmuth?‹ Langes Schweigen. In diesem Zusammenhang fiel dann von seiner Seite aus, daß man gegen den Vater protestieren müsse, um zu überleben.
[. . .] Thomas Bernhard nahm immer wieder den Band von Max Frisch zur Hand, die Ausgabe gefiel ihm vom Äußeren wie vom Inneren her, und sehr beeindruckt war er von der Widmung, die mir Max Frisch in diesen Band geschrieben hatte. [Die Widmung von Max Frisch im ersten Band seiner Gesammelten Werke lautet: »Siegfried Unseld, dem großen Verleger, danke ich in Freundschaft, Max Frisch, 10. Mai 1976«.] Immer wieder murmelte er: ›Es stimmt, das Einfache und Klare ist wahr . . .‹
Dann verließen wir das Airport-Restaurant und gingen zu einem zweiten Platz: einem Restaurant bei der Kirche Maria Plain. Wir fuhren in seinem neuen Wagen, siehe da, ein neuer Mercedes. Er verfuhr sich etwas, aber dann standen wir hoch über Salzburg im Garten dieses Restaurants. Es war einzigartig schön. Da Föhn herrschte, kamen die Festung Salzburg und die Stadt immer näher heran, ein starker warmer Wind peitschte durch den Garten, hob immer wieder die Decken von den Tischen, was eine eigentümliche Bewegung im Garten gab, in dem wir schließlich dann ganz allein saßen. Es war, als würde man in einem Wind-Ozean schwimmen.
Wir fingen noch einmal von vorne an. Die Abrechnung; sie sei wirklich überaus befriedigend. Das Bargeld; ungemein angenehm.
Was Schaffler beträfe, so sei es das letzte Buch, das er ihm gegeben habe, er sei mit ihm auch nicht mehr so einverstanden. Das Schafflersche Verlagsprogramm sei doch wohl ein Witz.
Er wird seine Verträge mit Schaffler auch ändern, so daß er das Recht hat, jederzeit die Schaffler-Texte in einem anderen Zusammenhang zu bringen.
Dringlich bat er mich um einen Vorschlag für die Regelung seines Nachlasses.
Dann sprach er euphorisch über seine Arbeitspläne. Er säße an einem neuen Stück mit dem Thema ›Richter und Kunst‹. 6 Personen.
Der Prosa-Band ›Erinnern‹ sei fast abgeschlossen.
Die beiden Bücher könnten dann im Frühjahr 1977 gebracht werden und im Herbst 1977 der neue Roman und – so sein Wunsch – das ›Lesebuch‹ [siehe Brief 214].
Das seien seine großen Arbeiten, und die seien für Suhrkamp und er sei fanatisch mit diesen Arbeiten beschäftigt. [. . .]
Ich solle nicht so sehr in die Zukunft schauen, ihn interessiere am Verlag nur die Gegenwart.
Er hätte das erreicht, was er sich vorgenommen habe: die materielle Sicherung
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