Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
änderte Thomas Bernhard charakteristisch ein ›verpflichtet sich‹ in ›wird‹. [Die Vereinbarung hält in ihrer ursprünglichen Textfassung neben der Abmachung, das Darlehen vom 15. März 1975, siehe Anm. 1 zu Brief 312, als einmalige Sonderzahlung zu behandeln, fest, daß Th. B. sich »verpflichtet«, seine Autobiographie bei Residenz nicht fortzusetzen. Der korrigierte Satz lautet: »Thomas Bernhard setzt seine Biographie bei Residenz nicht fort und wird, ohne vorherige Absprache mit Dr. Unseld, keine Bücher mehr dort erscheinen lassen.«] Das war eigentlich das Werk von Minuten, dann erörterten wir seine produktive Sache. Immer wieder bewundere ich an ihm seine Präzision, seine Intensität, seinen Eigen-Sinn, wenn es um seine Arbeiten geht.
So ›Der Weltverbesserer‹: Ich wollte einen zweiten Band ›Gesammelte Stücke‹ nach den ›Salzburger Stücken‹, er wollte eine Einzelausgabe. Natürlich wollte er die Einzelausgabe in der Bibliothek Suhrkamp. Doch wahrscheinlich spürte er meine Reserve gegenüber einer Ausgabe überhaupt, und so kam die Frage ›Bibliothek Suhrkamp‹ gar nicht erst auf, während ich mich dann entschloß, ihm die Einzelausgabe im Frühjahr 1979 zuzusagen. [. . .] Ich kritisierte die Widmung des Stücks ›Minetti, wem sonst‹. Jeder andere Schauspieler außer Minetti müßte sich hier zurückgesetzt fühlen, doch das war ihm egal, sie seien auch zweite Klasse. [In der Buchfassung lautet die Widmung »Für Minetti«.] Aber dies gab ihm Veranlassung, deutlich zu sagen, daß dieses Stück nur von Minetti gespielt werden sollte, von niemand anderem – dies jedoch, solange Minetti lebt. Wenn er nicht mehr lebte und spielen könnte, dann sei das Stück für einen anderen Schauspieler frei. [. . .]
Thomas Bernhard arbeitet an zwei neuen Dingen: an dem Roman ›Gegenruhe‹ (ein hervorragender Titel) und an einem neuen Stück für Peymanns Start in Bochum. Bernhard möchte für den Start seines Romans ›Gegenruhe‹ eine gute, möglichst alleinige Basis in unserem Programm haben. Ich konnte ihm dies zusichern, da ja im Frühjahr Walser – Frisch – Krolow erscheinen. Er wünscht sich einerseits die Schubkraft des Verlegers für dieses Buch, andererseits haßt er übertriebene Werbung; einerseits reklamierte er neulich, wir würden zu wenig für den ›Stimmenimitator‹ und ›Ja‹ tun, und als er dann die Anzeige in der ›Presse‹ und der ›FAZ‹ sah, war ihm dies doch wieder fast zuviel, und er regte sich nur darüber auf, daß wir in den Anzeigen einen grammatikalischen Fehler gemacht haben! [Die Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. Oktober, die mit einem Zitat aus der Münchner Abendzeitung wirbt — »Wenn es eine deutschsprachige Gegenwartsliteratur gibt, die bestehen kann neben Musil und Kafka: Hier ist sie!« —, enthält in der Beschreibung von Der Stimmenimitator einen Druckfehler: »Jeder diese Geschichten ist ein Roman von Thomas Bernhard.«] [. . .]
Gespräch über den ›Stimmenimitator‹: Für ihn ist dieses Buch leichtgewichtig. Er habe es ja in fünf Tagen geschrieben, was mir fast unglaublich erschien. Er benützte zwei-, dreimal den Ausdruck des Feuilletonistischen. Ich widersprach ihm heftig und sagte ihm immer wieder, daß ich in jedem dieser Prosastücke einen Roman von Thomas Bernhard in nuce sehe, und mir fiel gerade bei diesem Buch seine Meisterschaft der Hypotaxe auf, und als Adjektive kämen am häufigsten vor ›naturgemäß‹, ›tatsächlich‹ und ›vollkommen‹.
[. . .] Zur Lesung nach München kommt er am 23. November. Vorher wird er in Stuttgart bei Peymann im Theater lesen. Das Datum steht noch nicht fest, aber wir sollten es eruieren und dem Stuttgarter Buchhandel mitteilen. Zwischen Stuttgart und München dann ein paar Tage Schwarzwald, danach Ohlsdorf bis einschließlich Weihnachten und Neujahr, dann will er für ein paar Monate verschwinden. Ich persönlich nehme an, daß er bis dahin dann doch den Text ›Gegenruhe‹ fertiggestellt haben wird.
[. . .] Pünktlicher Abflug. Ich lese wieder im ›Stimmenimitator‹, besonders jene Geschichten, auf die sich Bernhard in seiner Widmung an mich bezog, auf den ›eigenwilligen Autor‹ und auf den ›Riesen‹.« Die Widmung lautet: »Der ›eigenwillige Autor‹ x / dem RIESEN t (unter den Verlegern) / zum Früh-stück / in Wien / Hilton 26. 10. 78 / Thomas B. / X Seite 119 / t Seite 105« – die Seitenangaben bezeichnen zwei Stücke
Weitere Kostenlose Bücher