Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
haben Sie gehört, aber der Angriff ging nicht gegen Sie persönlich, er hätte jeden betroffen, der an diesem Abend gelesen hätte – ob Koeppen – Struck — Frisch oder Lars Gustafsson. Diese Leute waren zum Zerstören entschlossen. Das macht freilich das Ganze nicht besser. Für mich war es selbstverständlich, an Ihrer Seite zu sein, und Sie sollten mich auch weiterhin an Ihrer Seite wissen.
Herzliche Grüße
Ihr
[Dr. Siegfried Unseld]
1979
[373; Anschrift: Ohlsdorf; Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
8. Februar 1979
Erbitte Ihren Anruf – Gruß Unseld 1
1 Unter dem Datum des 9. Februar vermerkt S. U. in der Chronik : »Telefonat mit Thomas Bernhard, der an diesem Tag Geburtstag hat.«
[374; Anschrift: Ohlsdorf; Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
5. März 1979
Erbitte Anruf. Gruß Unseld
[375; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
5. März 1979
Lieber Thomas,
hier nun der »Weltverbesserer« in der Bibliothek Suhrkamp. Eine lange Reihe bilden nun Ihre Stücke dort. Aber von Mal zu Mal, meine ich, wird ihr Gewicht größer. 1
Mit getrennter Post gehen Ihnen sechs weitere Belege (in Zweier-Päckchen) zu, bitte sagen Sie mir, wenn Sie weitere Exemplare haben möchten. Und bitte, sagen Sie mir auch, wann ich Sie anrufen kann – aber vielleicht ist das schon geschehen, wenn Sie dieser Brief erreicht. 2
Herzlichst,
Ihr
[gez. Siegfried Unseld]
i. A.
Burgel Zeeh
Anlage
1 Der Weltverbesserer erscheint als Band 646 am 1. März 1979.
2 Burgel Zeeh telefoniert am 6. März mit Th. B. und notiert für S. U.: »Er hatte schon irgendwie mit Ihrem Anruf gerechnet und mit Ihrer Frage, ob und wann wir das Prosa-Ms. bekommen.
Zunächst: er war eine Woche lang durch Grippe gehandicapt, jetzt mache er ein Stück fertig, das Peymann noch vor dem Sommer in Stuttgart herausbringen wird.
Das neue Buch sei fertig, aber er möchte das noch etwas liegenlassen. Er habe sich das gut überlegt, eigentlich wolle er in diesem Jahr keine Prosa publizieren, im letzten Jahr seien gleich drei Bücher von ihm gekommen, das sei erst einmal genug.
Dann seine Frage: war der Handke da, und hat er sein neues Buch fertig? Das käme also im Herbst und das sei, meinte er, auch richtig, also sei es auch richtig, wenn sein Buch erst im Frühjahr kommt. Er sei ganz zufrieden mit diesem Entschluß.«
[376; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
3. April 1979
Lieber Thomas,
ich habe noch in der Nacht das Stück gelesen. 1 Ich gratuliere Ihnen sehr! Da ist Ihnen wieder ein neuer Wurf gelungen, und diesmal mit einem Thema, das natürlich hier in der Bundesrepublik höchst brisant ist. Die Leute werden aufhorchen!
Ich würde dringlich auf Seite 91 eine Änderung vorschlagen; es heißt dort: »Andererseits haben wir ja jetzt einen Bundespräsidenten, der ein Nationalsozialist gewesen ist.«
Ob nun Herr Scheel oder der kommende Herr Carstens – beide könnten in einer solchen Formulierung eine Verunglimpfung des Staatsoberhauptes sehen. Da versteht man hierzulande weniger Spaß als in Österreich. Ich könnte Ihnen eine minimale Änderung vorschlagen, die die Sache genauso hart trifft: ». . . einen Bundespräsidenten, der in der Partei der Nationalsozialisten gewesen ist.« Oder: ». . . der ›Parteigenosse‹ gewesen ist.« Gegen diese Formulierungen kann niemand irgend etwas haben, die stimmen, aber »Nationalsozialist« kann und wird hier als Schimpfwort ersten Ranges angesehen, gegen das man sich wehren kann mit Verbot der Aufführung oder Verbot der Verbreitung des Textes. Bitte, lassen Sie sich das durch den Kopf gehen. 2
Wir sprechen uns also am Karfreitagmorgen. Ich erwarte in der Zeit von 9.00-10.30 h Ihren Anruf in der Klettenbergstraße (55 28 67).
Es war schön, Sie hiergehabt zu haben. Die verschiedenen Stadien Verlag-Königstein-Klettenbergstraße-Frankfurter Hof waren überaus angenehm, und ich bin sehr glücklich über »unser« Programm.
Herzliche Grüße
Ihr
[gez. Siegfried Unseld]
für ihn i. A.: Ihre Burgel Zeeh 3
1 S. U. trifft sich am 2. April mit Th. B. in Frankfurt und Königstein; von der Begegnung hält er in einer Notiz fest:
»Er kam aus Salzburg, wo ihn Schaffler wieder wegen eines Buches bedrängt, er dies abgelehnt hatte; dann von einem Gespräch mit dem Festspielleiter Kaut, in dessen Verlauf Bernhard ihn beschimpft habe, und aus Stuttgart, wo er mit Claus Peymann sprach und verhandelte.
Bernhard hat das neue Stück ›Vor dem
Weitere Kostenlose Bücher