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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Schreiben gelernt hatte. Mutter, Schwestern, Frauen, Dienerinnen, Sklaven und titelsüchtige Würdenträger lauerten im Palast, jeden seiner Schritte beobachtend. Zwei Dutzend mächtige Gegner hockten in den Gauen entlang des Stroms. Der grünäugige Fremde, der ihn aus dem Schlammwasser gezogen hatte, der Junge, mit dem er im Binsenboot gejagt und ihn den Gebrauch des Bogens gelehrt hatte? Er schüttelte den Kopf, lächelte und ging hinunter in den Palast, in dem es wie in einem Bienenkorb summte.
    Das Land Tameri wartete auf seine Entscheidungen. Je mehr Menschen ihm gehorchten – eigentlich musste ihm jeder Rômet gehorchen –, desto einsamer wurde er. Vor vier Jahren hatte er zum ersten Mal zu verstehen begonnen, woran das Land krankte. Er wusste, was zu tun war: eintausend entschiedene Schritte waren zu gehen, von denen jeder ein Kampf gegen morastig-zähe Macht bedeutete, entstanden aus Gewohnheitsrechten, die sein Vater geduldet hatte, weil er alt und schwach war. Chakaura wusste: viele Männer warteten auf den Augenblick, an dem er seine Stärke oder Schwäche offenbarte.
    Er atmete tief, legte die Hände an die Oberschenkel und dachte daran, dass aus seinem Mund die Götter sprachen. Ein letzter Blick: Noch hatte der Windmond nicht begonnen; die Barken waren nach der Bestattungszeremonie vom Westufer des Hapi zurückgekehrt, auf den Bodenplatten raschelten welke fahlblaue und rostrote Blüten. Soldaten umstanden schweigend in unregelmäßigem Viereck den Palast.
    Chakaura trat zwischen geblähten Leinenvorhängen in einen Gang, hob den Arm, deutete mit dem Zeigefinger auf einen Wachposten und sagte: »Sorg dafür, dass jeder Raum und jeder Korridor um den weißen Saal leer ist.«
    Der Palastgardist senkte den Kopf und legte die rechte Hand auf den schwarzledernen Brustgurt. Chakaura ging auf die Eingangssäulen der Halle zu, berührte das kühle Djam-Weißgold des Horusfalken inmitten seines Brustschmucks und sah hinter dünnen Vorhängen ein Dutzend Gestalten. Sie warteten vor dem Podest aus Suenet-Granit. Im Irrgarten zahlloser Mauern und Pfeiler ging Chakaura einmal um das Geviert des Saales. Alle Räume waren verlassen. In achtungsvollem Abstand sah er die gekreuzten Ledergurte über den Rücken der Wachen.

    »Djetamun-Hesire. Nördlich der ewigen Totenmale meines Urgroßvaters und meines Großvaters, des zweiten Amenemhet, also hapiabwärts des weißen Sehedhu-Steinzeltes, sollst du alle Baumeister zusammenrufen.« Chakaura saß reglos auf dem geschnitzten, vergoldeten Sessel, seine Hände lagen auf den Löwenköpfen der Armlehnen. »Du sollst am Westufer des Stroms, auf den Wüstenbergen, ein schwarzes Bauwerk aus Lehmziegeln errichten lassen, südlich von Men-nefer und in angemessener Größe und Prächtigkeit.«
    Der Oberste Medech aller Baumeister nickte langsam, kreuzte die Unterarme über der Brust und schien dem Echo von Chakauras Worten zu lauschen.
    »Die Männer, König beider Lande, die das herrliche Totenmal deines Vaters so gut gebaut haben«, sagte er und suchte die Blicke des Herrschers, »werden noch im zweiten Mond des Jahresdrittels Peret anfangen. Die Lastschiffe mit Granit von Suenet haben erst im nächsten Paophi genug Wasser unter dem Kiel.«
    »Ich weiß, dass es immer so war, seit Ewigkeiten, und es werden dann genügend Schiffe und Steinmetze bereitstehen, Baumeister Djetamun.«
    Chakaura beugte sich vor, stützte den Ellbogen aufs Knie und umfasste sein Kinn. Seine Stimme blieb gelassen, aber jeder im Raum fühlte die Ungeduld und Unruhe des Neunzehnjährigen.
    »Wenn die Schreiber mit ihrer Arbeit beginnen, wird jede wichtige Niederschrift mit dem Jahr Eins des dritten Chakaura beginnen. Was ich euch sage, darf noch nicht bekannt werden. Wachen sorgen dafür, dass uns niemand zuhört. Nicht jeder von euch, meine Getreuen, muss alle Befehle kennen. Ich will den zweiten und dritten Schritt nicht vor dem ersten tun. Fang damit an, Djetamun-Hesire, den besten Platz zu suchen.«
    Der Baumeister stand auf, verbeugte sich tief und verließ rückwärtsgehend den Saal. Chakaura blickte ihm nach und hob den Kopf.
    »Tatji Ikhernofret. Du sollst zuverlässige Boten zu Sennedjem im Zwei-Zepter-Gau, zu Nikaure im Hasengau und Pinednefer im Sepat der Gazelle schicken. Lass Schreiben abfassen: die Fürsten sollen das Gesetz achten und binnen zehn Tagen vor meinen Füßen liegen. Das werden sie schwerlich tun; also wirst du, Sokar-Nachtmin, deine besten Soldaten zuerst gegen Nikaure und

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