Der Bronzehändler
und sagte:
»Kaltes, bitteres Henket. Trinkt.« Er nestelte am schweren Brustschmuck und fuhr leiser, fast stockend fort: »Seit ich am Morgen, nachdem Vater in die Götterwelt einging, das Land allein beherrsche, haben die Götter und der Brauch in beiden Landen zwischen dem Horus im Palast und den Freunden seiner Kindheit und Jugend hohe Mauern aufgerichtet.« Er wartete, bis ihm Ikhernofret, der Älteste im Raum, den ersten Becher reichte. »Die Mauern sind nicht undurchdringlich. Wenn ihr kniet, dann nicht vor dem Schüler und Jäger Senwosret im Binsenboot, sondern vor dem Gottkönig im Großen Haus Per-Ao. So war es seit Meni-Narmer und Netjerichet, aber ich werd's bisweilen, zur rechten Stunde, für meine wenigen Freunde ändern.«
Er nahm einen tiefen Schluck; Ikhernofret hob den Becher und murmelte:
»Die Götter haben dich mit Weisheit überschüttet, ganz zweifellos. Und bald wird es das ganze Volk erkannt haben.«
Die Männer versammelten sich in einem offenen Kreis um den Herrscher. Einige Atemzüge lang glaubte Sokar-Nachtmin das gleiche Gefühl zu erleben wie im Kreis seiner Unterführer am Lagerfeuer bei Bier und Braten in der Wüste unter den Sternen, wie auf einer sicheren Insel aus Licht und Waffen; als Chakaura wieder in seinem Sessel saß, löste sich der kurze Augenblick der Vertraulichkeit auf. Sokar-Nachtmin begegnete Ikhernofrets Blick und war sicher die wichtigste Stunde im Jahr Eins miterlebt zu haben. Er leerte den Becher und spuckte Dattelkerne in die hohle Hand.
Eine Säulenreihe und die Stämme des Palmenhains zerteilten die frühe Abendsonne in rote und schwarze Streifen. Nacheinander schwirrten Entenschwärme ins Schilf des Kanals und wasserten raschelnd, plätschernd und quakend. Chakaura blieb auf der Plattform am Ende der Rampe stehen und blickte auf die Schiffe im Palasthafen. Hathor-Iunit legte von hinten ihre rechte Hand auf seine Schulter und deutete auf einen Lotsen, der im Bug schlief, die Faust unter dem Schurz.
»Dein erster Tag voll Arbeit. Zufrieden, Bruder, mit der Auswahl derer, die deine Befehle ausführen?« Sie kitzelte ihn am Ohr. Er zuckte zurück und setzte sich auf die breite Brüstung. Mutter Nofret streckte den Arm aus und bedeutete den Dienerinnen, am Fuß der Rampe stehenzubleiben. Heißer Wind und das Keckem einiger Füchse kam von den Dünen der Westlichen Wüste, wieder schrie der Löwe. Das kehlige Grollen klang müde, altersschwach; es war an der Zeit, einige junge Löwenmännchen zu fangen. Tama-Hathor-Merit ringelte eine Haarsträhne um einen Finger und zog sie durch die Zähne. »Einige kennst du aus dem Lebenshaus. Ihr habt alle im Per-Ankh gelernt und euch im Schilf geprügelt. Ikhernofret, ich hab's deinem Vater und dir hundertmal gesagt, gibt sein Leben für dich.« Nofret, Chakauras Mutter, sprach undeutlich; die Golddrähte der Zähne schienen sich gelockert zu haben. Aber jedes Wort und jede Geste strahlten die Würde des Alters und der Macht aus. Tama-Hathor-Merit kicherte.
»Mutter!« Chakaura hob die Hände. »Seit mehr als fünf Jahren war ich dabei, wenn Vaters Späher und Lauscher ihm und Ikhernofret berichteten. Der neue Horus vertraut nur denen, auf denen auch die schärfsten Augen mit Wohlgefallen ruhen. Der Kreis derjenigen, die Vater als ›Einziger Gefährte‹ oder ›Bekannter des Herrschers‹ bezeichnete, hat sich schon am Morgen nach seinem Tod mehr als halbiert.«
Nofrets Perücke verrutschte. Die Königinmutter zog sie herunter und nahm Chakauras Hände.
»Ich kann's nicht oft genug wiederholen, König meines Herzens: sprich mit den Schönen deines Frauenhauses über Blüten, Brüste und Gemächt, aber nicht über deine Gedanken. Ich bin nur eine faltenreiche Witwe, aber ich weiß, dass Weiber, die nicht hart arbeiten müssen, von Wein, Gerüchten und Geschwätz leben.«
Chakaura berührte die rotgefärbten Handflächen der Greisin mit den Lippen und verschränkte die Unterarme vor der Brust. Sein Blick huschte zwischen seiner Mutter und seinen Schwestern hin und her wie die Zunge einer Eidechse.
»Ich bin Chakaura, ihr Frauen, und nicht Pije-Ipi, das närrische Ungeheuer. Von den vierundsiebzig Mädchen und Frauen habe ich siebenmal sieben mit Gold, Wein, Leinen und ihrem Schmuck entlassen und trefflich verheiratet: mit dem Obersten Sandalenträger, den Wedelfächlern, einem Dutzend Soldaten-Unterführern. Fünf sind unterwegs zu den Herren der Festungen. Der Verwalter der Lagerhäuser ebenso wie der Aufseher der
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