Der Bronzehändler
ändert sich für uns Händler nichts. Ihr werdet vier Tage oder länger warten müssen, Jehou.«
»Wenn ihr überhaupt ein Schiff in Arni findet.« Jehoumilq gähnte. »Ihr braucht drei Tage, bis ihr dort seid. Was diese habgierigen Handelskapitäne für unsere Rettung verlangen werden – es macht uns arm, Kari.«
»Besser bettelarm als ertrunken.« Karidon leerte seinen Becher und stand mühsam auf. »Denk an den armen Rebideka.«
»Der hat keine Sorgen mehr mit Gold oder Bronze.«
Er legte sich in den trockenen Sand. Als er spät nach Mitternacht fröstelnd aufwachte, schob er ein paar Kloben in die Glut, holte seinen feuchten Mantel, der modrig roch, und wickelte ihn um sich.
2. Itch-Taui im Frühling
Der neue Herrscher genoss das Ende der ruhigen Stunde und öffnete träge die Augen: Sonnenglast schien das Land rings um die Stadt zu schmelzen. Aus der Weite der auftrocknenden Weiden und Felder waberte heiße Luft aufwärts und ließ Dattelpalmen, Tamarisken, Schilf und Binsen schwanken, als wehe der Vorbote eines Fünfzigstundensturms. Aus dem Garten des Frauenhauses kam Musik; Rasseln, Harfen und Doppelflöten. Handtrommeln zwängten die zerfasernden Klänge in kurze Takte. Tausende Rômet warteten nach der Rückkehr von den Begräbniszeremonien noch immer in den Häusern zwischen Stichkanälen und großen Teichen mit weißen Steinrändern, in denen Lotosblüten und blaue Seerosen schwammen. Viele Menschen, die Itch-Taui, die Stadt Gottkönig Amenenhets abseits der sumpfigen Scha-Resi-Seeoase, zum ersten Mal besucht hatten, saßen im gesprenkelten Schatten großer Rizinusstauden, Granatapfelbäumen und Palmen. Viele hofften auf eine Zeitenwende im Hapiland, und nicht wenige glaubten fest an die Entschlossenheit des Thronfolgers. Dutzende Barken und Schiffe hatten an den Kanalkanten festgemacht. Noch roch die Luft nach der Asche von Opferfeuern. Die ersten Gruppen hatten Itch-Taui schon verlassen; überall wehten farbige Tücher von den Masten der Tempelfassaden. Über hellgrünen Schößlingen des Überschwemmungsgebiets schwirrten Fliegenschwärme, Wolken tanzender Mücken, Libellen und kleine Vögel. Ein Zug Soldaten, die Sokar-Nachtmin zusammengerufen hatte, marschierte zu den Wohnstätten am Lagerhaus; in ihrem Gleichschritt knirschte der Sand. Über dem Schilf kreiste ein Taubenschwarm. Tausend Hütten und weiße Vierecke von Sonnensegeln bildeten einen Ring um die hellbraunen Mauern. Hinter dem Palmenhain glitzerte das reglose Wasser des Kanals zum Mu-Wer-See.
Chakaura hockte, die Arme um die Knie geschlungen, auf dem Palastdach im schattigen Winkel zweier Mauern, deren Oberfläche Schultern und Rücken kühlten. Der dumpfe Gesang der Priester schien die Palastmauern zu erschüttern. Vater Senwosret, der zweite Träger dieses Königsnamens, hatte den Aufgang des Atumgestirns nicht mehr erlebt; im Sternenlicht, vor sieben Siebentagen, hatten Ba und Ka den Chet-Körper verlassen. Chakaura stützte sich auf die Brüstung und sagte leise, als spräche er zu einem lebenden Wesen, nicht zum Steinabbild des Vaters: »Seit Jahren habe ich mich darauf vorbereitet. Tausend Schritte sind zu gehen, einer nach dem anderen. Zehn Schritte sind erst geplant; auch Geduld ist ein Teil der Maat, der göttlichen Weltordnung.«
Chakaura schob das gefaltete Kopftuch zurück, stand auf und blickte über die Kante der Brüstung in die Richtung des Sonnenunterganges. Der alte Löwe im Palastgarten brüllte zweimal. In der Halle warteten die Vertrauten auf seine Entscheidungen, die das Land im Lauf vieler Jahre verändern würden. Er war der mächtigste Mann des Landes Ihm gehorchte man, weil es göttliches Gesetz war; sein gehauchtes Wort war Befehl. Die Thronfolge hatte ihn über jeden Sterblichen weit hinausgehoben.
Ein Sandalenträger hastete die Treppe herauf, warf sich auf die Knie und sagte: »Geliebter des Horus . Herr Ikhernofret schickt mich. Alle mächtigen Männer, die du gerufen hast, sind versammelt.«
»Sie sollen in der weißen Halle meines Vaters warten. Ich bin gleich bei ihnen.«
Der Diener berührte den Boden mit der Stirn und lief treppab. Chakaura blieb auf der obersten Stufe stehen und streckte seinen Rücken. Alle Menschen Kêmets und Deshrets richteten ihre Augen auf ihn, für den eine Zeit leichten Lebens ohne Verantwortung endete. Keine Jagden im Schilf mehr. Freunde? – sie waren Ameisen und Cheperkäfer vor seinen Zehen. Keine trunkenen Gespräche unter Männern, mit denen er Lesen und
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