Der Buick: Roman (German Edition)
passiert? Hatte das alles einen Grund, oder war es nur ein schrecklicher Zufall? Und wenn es einen Grund hatte – was mache ich dann? Und wenn es keinen hatte – wie ertrage ich das?
» Geht es um meinen Vater?«, fragte er. » War das der Wagen von meinem Dad?«
Seine Intuition war unheimlich. Nein, es war nicht das Auto seines Vaters gewesen … wie hätte es das auch sein können, da es überhaupt kein Auto war? Ja, es war der Wagen seines Vaters gewesen. Und meiner auch … und Huddie Royers … und Tony Schoondists … und Ennis Raffertys. Ja, vielleicht vor allem der von Ennis – auf eine Weise, die wir nie verstanden haben, nie verstehen wollten . Ned hatte gefragt, wem der Wagen gehörte, und ich nehme mal an, die korrekte Antwort wäre gewesen: der Troop D der Pennsylvania State Police. Er gehörte allen gegenwärtigen und ehemaligen Kollegen, die wussten oder gewusst hatten, was da im Schuppen B unter einer Plane stand. (Nur dass der Buick die Plane gelegentlich abschüttelte.) Doch fast die ganzen Jahre, die wir den Buick in unserem Gewahrsam hatten, hatte er vor allem Tony und Neds Dad gehört. Sie waren seine Kuratoren gewesen. Sie waren die Buickologen.
» Nein, er hat nicht direkt deinem Dad gehört«, sagte ich und wusste schon, dass ich mit der Antwort zu lange gezögert hatte. » Aber er wusste davon.«
» Was gibt es denn da zu wissen? Wusste meine Mama auch davon?«
» Heute wissen nur noch wir davon«, sagte ich.
» Die Troop D, meinst du?«
» Ja. Und dabei bleibt es auch.« Ich hielt eine Zigarette in der Hand und konnte mich kaum erinnern, sie angesteckt zu haben. Ich ließ sie fallen und trat sie aus. » Das ist allein unsere Sache.«
Ich atmete tief durch.
» Aber wenn du’s wirklich wissen willst, werd ich’s dir erzählen. Du bist jetzt einer von uns … stehst uns jedenfalls nah genug für ’n kleines Geheimnis.« Sein Vater hatte das immer gesagt, und solche Sprüche bleiben irgendwie hängen. » Du darfst sogar reingehen und ihn dir anschauen.«
» Und wann?«
» Wenn es da drin wärmer wird.«
» Das verstehe ich nicht. Was hat denn die Temperatur da drin damit zu tun?«
» Ich habe heute um drei Feierabend«, sagte ich und zeigte auf die Raucherbank. » Treffen wir uns da, wenn es nicht regnet. Und wenn es regnet, gehen wir nach oben oder in den Country Way Diner, wenn du Hunger hast. Ich glaube, dein Vater hätte gewollt, dass du davon erfährst.«
Stimmte das? Ich hatte eigentlich keinen Schimmer. Aber der Drang, es ihm zu erzählen, war stark genug, um als intuitive Ahnung durchzugehen, vielleicht sogar als Befehl aus dem Jenseits. Ich bin nicht religiös, aber irgendwie glaube ich an solche Dinge. Und ich dachte auch an den alten Spruch: Was dich nicht umbringt, macht dich härter. Sollte die Katze ihre Neugier doch stillen.
Aber ist man denn je zufrieden, wenn die Neugier gestillt ist? Meiner Erfahrung nach eher selten. Aber ich wollte nicht, dass Ned im September so auf die Pitt ging, wie er im Juli war, als sein im Grunde sonniges Gemüt nur ab und zu aufblitzte wie eine Glühbirne, die nicht richtig eingeschraubt war. Ich fand, er hatte das Recht, ein paar Antworten zu bekommen. Auf manche Fragen gibt es keine Antwort, das ist mir klar, aber mir war danach, es zu probieren. Mir war, als müsste ich es probieren, trotz allen Risiken.
Erdbebengebiet, hatte mir Curtis Wilcox ins Ohr geflüstert. Das ist ein Erdbebengebiet da drin. Pass bloß auf.
» Wieder so ein Frösteln, Sandy?«, fragte mich der Junge.
» Es war wohl doch kein Frösteln«, sagte ich. » Aber irgendwas war da.«
Es regnete nicht. Als ich nach draußen ging, um mich mit Ned auf der Bank mit Blick auf den Parkplatz und den Schuppen B zu treffen, saß Arky Arkanian dort, rauchte eine Zigarette und plauderte mit dem Jungen über die Pittsburgh Pirates. Als er mich sah, machte Arky Anstalten zu gehen, aber ich sagte ihm, er solle bleiben. » Ich will Ned von dem Buick erzählen, den wir da drüben haben«, sagte ich zu Arky und deutete mit einer Kopfbewegung auf den baufälligen Schuppen. » Und wenn er dann die Männer in den weißen Kitteln rufen will, weil der Sergeant Commanding der Troop D nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, kannst du mir beistehen. Du warst schließlich dabei.«
Arkys Lächeln schwand. Die schwache, heiße Brise, die aufgekommen war, verwuschelte sein stahlgraues Haar. » Und du meinst, das ist ’ne gute Idee, Sarge?«
» Neugier bringt die Katze um«, sagte
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