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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Volltanken«, sagte der Kunde. Seine Stimme gefiel Brad Roach überhaupt nicht. Den Polizisten vor Ort sagte er später, der Mann habe sich angehört, als hätte er den Mund voll Marmelade. Brad war an diesem Tag eindeutig poetisch gestimmt. Vielleicht lag es daran, dass Hugh den ganzen Tag lang nicht da war.
    » Öl nachsehen?«, fragte Brad. Da war der Kunde schon an der Ecke der kleinen weißen Tankstelle angelangt. Angesichts seiner Eile nahm Brad an, dass er wirklich dringend was abzuladen hatte.
    Doch der Mann blieb stehen und drehte sich ein wenig zu Brad um. Gerade genug, dass Brad eine blasse, fast wächserne Wange sah, ein dunkles, mandelförmiges Auge fast ohne erkennbares Weiß, und eine schwarze, lockige Haarsträhne neben einem eigenartig geformten Ohr. An das Ohr erinnerte sich Brad später am deutlichsten. Etwas daran beunruhigte ihn zutiefst, entsetzte ihn vielleicht sogar, aber er konnte nicht genau erklären, was es war. An diesem Punkt ließ ihn seine Fantasie im Stich. Irgendwie geschmolzen, als hätte er sich da verbrannt – besser konnte er es anscheinend nicht beschreiben.
    » Öl ist okay!«, sagte der Mann mit seiner erstickten Stimme und verschwand dann mit einem letzten fledermaushaften Aufbauschen seines schwarzen Mantels um die Ecke. Zum Ton seiner Stimme – diesem unangenehmen, gallertartigen, schleimigen Geräusch – kam noch hinzu, dass er mit einem Akzent sprach, der Brad Roach irgendwie russisch vorkam.
    Brad ging zu dem Buick, schlenderte an der Beifahrerseite entlang (der Fahrer hatte achtlos geparkt und viel Platz zwischen Auto und Zapfsäulen gelassen) und strich dabei mit einer Hand über die geschwungene Chromzierleiste und den glatten Lack. Es war eine eher bewundernde als dreiste Berührung; oder vielleicht war sie auf harmlose Weise auch ein wenig dreist; Bradley war damals ein junger Mann voll jugendlichem Übermut. Als er sich hinten über den Tankdeckel beugte, hielt er inne. Der Tankdeckel war da, aber das hintere Nummernschild fehlte. Da war nicht mal eine Halterung für das Schild und auch keine Löcher zum Festschrauben.
    Da wurde Bradley klar, was ihm so komisch vorgekommen war, als die Klingel geläutet und er den Wagen erblickt hatte. Er hatte keine Prüfplakette. Tja, es ging ihn ja nichts an, wenn hinten das Nummernschild und an der Windschutzscheibe die Prüfplakette fehlten; die örtliche Polizei oder ein Statie von der Troop D würden den Typ sehen und ihn dafür drankriegen … oder auch nicht. So oder so – Brad Roach hatte den Wagen nur vollzutanken.
    Mit der Kurbel seitlich an der Zapfsäule setzte er den Zähler auf null, schob dann den Zapfhahn in den Tankstutzen und stellte auf Automatik. Die Glocke in der Zapfsäule fing an zu schellen, und währenddessen ging Brad zur Fahrerseite des Buicks. Dabei blickte er durch die linken Wagenfenster. Das Innere des Autos kam ihm ungewöhnlich schlicht vor dafür, dass er in den Fünfzigern fast so etwas wie eine Luxuskarosse gewesen war. Die Sitzbezüge waren ebenso nussbraun wie der Bespannstoff des Wagenhimmels. Die Rückbank war leer, die Vorderbank war leer, und es lag auch nichts auf dem Boden – nicht ein einziger Fetzen Papier, von einer Landkarte oder einem zerknüllten Zigarettenpäckchen ganz zu schweigen. Das Lenkrad war anscheinend aus Holz. Bradley fragte sich, ob das bei diesem Modell Standard oder ein Extra gewesen war. Sah nobel aus. Aber warum war es so groß? Es fehlten nur seitlich die Spaken, und man hätte es für das Steuer einer schicken Yacht gehalten. Man musste die Arme schon etwas ausstrecken, um es überhaupt greifen zu können. Das musste eine Sonderanfertigung sein, und Brad glaubte nicht, dass es auf langen Strecken sonderlich praktisch war. Nein, das war alles andere als praktisch.
    Auch am Armaturenbrett war irgendwas eigenartig. Es schien aus Walnusswurzelholz zu sein, und die verchromten Regler und Apparate – Heizung, Radio, Uhr – wirkten nicht ungewöhnlich … waren jedenfalls da, wo sie hingehörten … und auch der Zündschlüssel steckte an der richtigen Stelle (ganz schön vertrauensselig, was?, dachte Bradley ), doch an dem Ganzen stimmte irgendwas überhaupt nicht. Es war bloß schwer zu sagen, was.
    Brad schlenderte zur Vorderseite des Autos, bewunderte den grinsenden, verchromten Kühlergrill (dieser Kühlergrill war eindeutig Buick; wenigstens der stimmte hundertprozentig) und stellte noch einmal fest, dass der Wagen keine Prüfplakette hatte, weder aus

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