Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
des Höhleneingangs. »Schließlich war
es doch nur ein Traum.«
»Es war wirklich so«, fing Kai-lid wieder an. »Ich habe
die beiden Söldner gesehen, dazu den Halbelfen und den
Jungen. Sie jagen etwas.«
»Wo?«
Kai-lid zuckte mit den Schultern. »Bei Haven, würde ich
sagen. Aber ob Norden oder Süden? Ich muß sie beobachten, bis ich Anhaltspunkte erkenne.« Stirnrunzelnd schwieg
sie eine Weile. Dann sagte sie zögernd: »Glaubst du, ich
kann die vier… überzeugen, diese Aufgabe zu übernehmen?«
Die Eule legte den Kopf schief. »Es sind schließlich Söldner. Du hast kein Geld. Was hast du zu bieten?«
»Ich weiß es nich t … noch nicht.« Kai-lid lehnte im Eingang und sah sich auf der Lichtung um – ihrer Lichtung.
Für wenige kurze Monate hatte sie hier eine Sicherheit gefunden, die sie vorher nicht gekannt hatte. Jetzt mußte sie
von hier fortgehen.
»Vielleicht erkennen sie mich«, überlegte sie.
»Als Dreena? Du bist doch verkleidet.«
»Nein, nicht als Dreena. Als mir klar wurde, was Lida getan hatte, habe ich weitgehend ihr Aussehen angenommen,
um… um ihr Andenken zu ehren und Dreena für immer
hinter mir zu lassen. Vielleicht erkennen sie Lida.«
Die Eule stupste sie sanft mit dem Schnabel an die Schulter, und Kai-lid grub die Finger einer Hand in die weichen
Federn der cremefarbenen Brust. Xanthars Stimme drang in
sie ein. Du kannst doch einfach eine neue Gestalt annehmen.
Als sie sich wieder trennten, schüttelte die Zauberin den
Kopf. »Nein. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn sie
Lida erkennen. Ich werde darüber nachdenken. Als erstes
muß ich herausfinden, wo sie sind und wohin sie wollen.«
Sie drehte sich wieder zur Höhle um, doch die Bewegung
der Eule hielt sie zurück.
»Das Suchen ermüdet dich. Vielleicht kann ich sie finden«, sagte Xanthar laut, jetzt wieder in Menschensprache.
Die Eule schlug mit den Flügeln. Kai-lid kniff wegen des
Staubs, der plötzlich aufgewirbelt wurde, die Augen zusammen. Dann hockte sich die Eule wieder hin. »Spring
auf«, lud Xanthar sie ein, während er eine der Riesenschwingen weit ausbreitete.
»Ich hole meine Sachen«, sagte sie.
Kapitel 9
Dem Ettin auf den Fersen
Morgen. Schlafenszeit.«
»Nein. Soldatfrau kommt. Sagt Meister.«
»So schade. Res schläft Tage.«
»Nicht jetzt!«
»Hunger. Bald essen?«
»Vielleicht.«
»Soldaten kommen?«
»Ja, ja.«
»Gut«, beschloß Res. »Sie essen.«
»Nein!« Der linke Kopf des Ettins versuchte sich an das
Wort zu erinnern, das der Meister benutzt hatte. Ein langes
Wort und schon so lange her – fast eine Stunde. Der Meister hatte den linken Kopf gezwungen, das Wort – und die
Warnung – viele Male zu wiederholen. »Entführen!« krähte
Lacua endlich, als es ihm einfiel. »Nicht essen. Nicht, nicht,
nicht.« Seine wäßrigen Schweinsäuglein blinzelten. Die linke Hand des Ettins schwang bei jedem »nicht« die Keule.
Der rechte Kopf spuckte aus. Dann hellte sich Res’ Miene
auf. »Sind vier«, drängte er. »Einen entführen«, er zögerte,
weil das Rechnen so schwer war, »Rest essen?«
»Entführen«, wiederholte Lacua. »Nicht essen. Nicht.«
»Einen? Nur?«
Diesen Vorschlag gab es zu bedenken. Der Meister, mit
dem er kurz vor Sonnenaufgang durch den Redestein gesprochen hatte, hatte be fo hlen, die Soldat fr au zu einem bestimmten Berg im Düsterwald zu locken, sie zu fangen und
zu warten. Aber zu ihren Begleitern hatte Janusz sich nicht
geäußert. Die Frau sollte entführt werden, hatte der Zauberer gesagt. Das bedeute t … ja, was? Die anderen sollten
nicht entführt werden? Oder doch? Lacua grübelte. Die
vielen Möglichkeiten machten ihm Kopfschmerzen . Aber
schließlich entschied er: »Frau fangen, ein Nichtfrau essen.«
Die beiden Köpfe lächelten und zeigten dabei ihre verfaulten Zähne. Der Ettin, dessen vier Äuglein nach Niederwild
Ausschau hielten, wanderte weiter nach Norden und achtete darauf, reichlich Fußspuren zu hinterlassen, wie es der
Meister befohlen hatte.Stunden später, als die Sonne gerade
den Zenit überschritten hatte, standen Tanis und seine Gefährten an derselben Stelle und starrten auf die Fußspuren
– fa st drei Finger tief, der rechte Fuß größer als der linke –
und dann in die Richtung, in die sie führten.
»Düsterwald«, flüsterte Caven. Tanis nickte, während
seine Augen das Unterholz absuchten.
Es gab keinen langsamen Übergang von ihrem Wald
zum nächsten. Vielmehr war es, als habe der eisige Finger
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