Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
war. Aber noch während sie sich umsah, erinnerte sie eine
Stimme in ihrem Kopf daran, daß der Zauberer das Kästchen nicht verschlossen hatte. Auf einmal riß Donnergrollen sie aus ihren Gedanken. Sie blickte nach oben.
Über dem Schloß des Meir ballten sich Wolkentürme zusammen, eine Gewitterwand so hoch wie ein Dutzend
Schlösser. Der Himmel über dem Söldnerlager war plötzlich klar. Die Soldaten verließen ihre Posten. Starr vor
Schreck und mit offenem Mund wurden sie Zeuge, wie der
Zauberer dort am Hang die Herrschaft über die Naturgewalten an sich riß und diese gegen den Feind führte. Die
Menschen an der Brustwehr des Schlosses waren fast ebenso still. Mit wachsendem Entsetzen blickten sie nach oben.
Über ihnen pulsierte die Wolke. Gelbe, blaue und rote
Blitze brachen aus dem wogenden Nebel. Der Donner hallte in Kitiaras Kopf nach. Sie mußte sich zwingen weiterzuatmen. Ihre Knie wurden butterweich, und sie mußte sich
gegen einen Baum lehnen. Hätte sie sich jetzt verteidigen
müssen, wäre sie so leicht gefallen wie blutige Anfänger.
Doch den Söldnern näherte sich kein Angreifer.
Dann öffnete sich die Wolke mit einem Mal und ließ Feuer auf die Verteidiger des Schlosses herabregnen.
Soldaten, Bauern und Adlige schrien und versuchten
entsetzt und vergeblich, dem flüssigen Feuer zu entkommen. Einigen gelang es, ihre Kleider auszuziehen, nur um
dann zu bemerken, daß der Schwefel auf ihrer Haut haftet.
Viele stürzten sich von den Schloßmauern, um den qualvollen Tod abzukürzen. Andere versuchten vergeblich, das
Schloß zu beschützen, indem sie Pfeile auf die Armee der
Belagerer absch o ssen, die sicher außerhalb ihrer Reichweite
wartete.
Machtlos gegen den Schwefel verbrannten die Anhänger
des Meir wie lebende Fackeln. Das Holztor des Schlosses
explodierte. Das Obergeschoß stürzte ein. Ein
Teil
der
Schloßmauer brach auf, so daß Kitiara durch den Spalt den
Inhalt von Wassertrögen kochen und blubbern sah. Dann
zerbarsten auch die Tröge.
Janusz hatte eine solche Macht, daß die Söldner von dem
Feuer nichts fü hlten als eine angenehme Wärme an ihren
Füßen. Ein heißer Wind wehte durch das Lager, doch auch
das war angesichts der Nässe beinahe angenehm. Aber der
Wind fü hrte auch Asche mit sich, und bald tränten den
Söldnern die Augen.
Die Klügeren hielten ihre Wollmäntel vor Mund und Nase. Lloiden nicht. Hustend fiel er vor seinem Ze l t auf den
Boden. Kitiara fragte sich, ob sich Janusz so für Lloidens
Aufbegehren am Morgen rächte.
Und dann war alles vorbei. Der feurige Regen war so
plötzlich zu Ende, wie er begonnen hatte. Die Wolke verpuffte zu nichts. Die Söldner wagten wieder zu atmen. Wo
einst ein mächtiges Schloß gestanden hatte, war jetzt nur
noch eine rauchende Ruine. Noch immer klaffte die Öffnung in der Vorderseite des Schlosses, doch noch wagte
sich keiner hinein. Die Luft war voller Asche und stank
grauenvoll nach verkohltem Fleisch.
Im Lager erhob sich zitternd eine Stimme. »Und wozu
hat er uns gebraucht?« fragte der Soldat.
Da kam der Valdan hinter Janusz’ Ze l t hervor. Er zeigte
mit dem Schwert auf Kitiara, die immer noch am Baum
lehnte. »Zum Angriff!« schrie er mit puterrotem Gesicht.
»Ich habe euch angeheuert, um meine Feinde vom Erdboden zu vertilgen! Also tut das auch!«
»Valdan«, sagte Kitiara benommen, während sie sich
zwang, aufrecht zu stehen, »es gibt keine Feinde. Euer Zauberer hat sie alle getötet.«
Aber der Anführer fuchtelte mit seinem Schwert wie ein
Kind, das nach einem eingebildeten Monster sticht. »Überzeug dich davon, Hauptmann! Ich will sicher sein, daß alle
tot sind.«
Kitiara setzte noch einmal an. »Valdan, es kann unmöglich jemand über – «
»Findet sie!«
Niemand durfte sich ihm widersetzen. Halbtot von der
Anstrengung, die ihn der Feuerregen gekostet hatte,
schleppte sich Janusz den Hügel hoch. Seine Stimme war
kaum zu hören, sein Gesicht von Asche und Schweiß überzogen. »Valdan, es ist zu heiß da drin, als daß sich unsere
Soldaten hineinwagen könnten.«
»Dann mach Regen!«
Janusz blickte den Valdan lange an. Dann drehte er sich
wortlos um und taumelte wieder den Hang hinunter. Kitiara hörte neuen Singsang.
»Es regnet!« rief ein Soldat.
Das stimmte. Es waren keine Wolken zu sehen, aber
dennoch hatte der Magier einen leichten Schauer hervorgerufen, der in der Hitze des zischenden, glühendheißen
Schlosses verdunstete. Einer der Generäle – der
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