Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
verlieren die Schlacht auf jeden Fall. Wenn erst
mal alles vorbei ist, wird Dreena ten Valdan noch all ihre
Freundlichkeit brauchen können, nur um ihren Kopf zu
retten. Der Valdan sieht in ihr einen Feind, genau wie in
ihrem toten Mann.«
Kitiara spähte in den Nebel. »Es ist kein Verrat, Mackid,
wenn man sein eigenes Land verteidigt.«
»Sie verrät ihren Vater.«
»Aber nicht ihren Mann.«
Caven Mackid schlug einen belustigten Ton an. »Wird
Hauptmann Uth Matar plötzlich weich? Bei den Göttern,
Kitiara, du verteidigst die große Liebe?«
»Wohl kaum. Aber ich kann doch ihren Mut anerkennen,
daß sie für jemanden eintritt, den sie liebt.«
Caven grunzte.
Der Himmel wurde noch heller, doch der Dunst zog sich
zu und breitete sich aus, bis er wie ein Federbett dicht über
dem Boden hing. Das farblose Licht brachte eine gewisse
Ähnlichkeit zwischen dem Mann und der Frau an den Tag
– schwarze Haare, dunkle Augen, blasse Haut. Aber wenn
man sie genauer ansah, war die Ähnlichkeit sehr oberflächlich. Während Kitiaras Behendigkeit ihren Körper biegsam
und drahtig machte, war Caven muskelbepackt. Kitiaras
langer Seitenblick verriet ihr Wohlgefallen.
»Bei diesem Nebel werden die Männer es auf dem unebenen Boden nicht leicht haben«, überlegte Caven. »Vielleicht entschließen sich die Generäle zu warten.«
»Sind die Pferde so weit?« unterbrach ihn Kitiara.
Ihr Ton machte Caven klar, daß mit dem Geplänkel
Schluß war. Es wurde Zeit für die Schlacht.
»Malefiz und Obsidian sind gesattelt und beladen«, sagte
er. »Wod kümmert sich um sie.«
»Wenigstens dazu taugt dein Knappe.«
»Trotzdem bleibt er mein Neffe.«
Kitiara warf ihm einen Blick aus ihren braunen Augen
zu. »Wer wird hier weich?« Die Antwort wartete sie nicht
ab. »Sag Wod, daß er Obsidian eine Extraportion Hafer geben und dann mit ihr an der Spitze der Westkolonne warten soll.« Sie zögerte, bevor sie fortfuhr. »Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Schlacht, Caven«, gestand sie. »Ich bin
nicht überzeugt, daß uns die Generäle des Valdan zum Sieg
führen können. Für meine Begriffe haben sie schon die Belagerung vermurkst.«
Caven Mackid wartete, bis er sicher war, daß Kitiara
ausgeredet hatte. »Du glaubst, wir verlieren?«
Kitiara blieb die Antwort schuldig. Statt dessen tätschelte
sie ihren Schwertgriff. »Geh zu Wod und sag’s ihm«, meinte sie. »Und viel Glück, mein Freund. Ich fürchte, wir werden es heute brauchen.«
Nur Sekunden später war Caven zwischen Nebel und
Bäumen verschwunden. Es wurde he l ler. »Bei den Göttern,
warum blasen sie nicht zum Angriff?« flüsterte Kitiara gereizt. »Der beste Zeitpunkt ist schon vorbei. Worauf warten
sie?«
Stimmen ließen sie stehenbleiben. Sie blickte wieder den
Hang hinunter in den Nebel. Stimmen? Sie runzelte die
Stirn. Wieder glitt ihre Hand zum Schwert. Unten um das
Granitschloß des Meirs hatte sich der Nebel zusammengezogen und kroch mehr als mannshoch die Mauern empor.
Es schien, als würde das Schloß schweben – Kitiara mußte
zugeben, daß das taktisch sehr vorteilhaft sein würde. War
der Nebel ein Werk von Zauberei? Hatte die Witwe des
Meir ein paar Tricks auf Lager? Dreena war als Zauberin
bekannt, doch ihre Macht war bescheiden. Janusz, der
Zauberer des Valdan, hatte sie von Kindheit an unterrichtet.
Dreena muß doch wissen, daß sie dem Zauberer nicht
gewachsen ist, dachte Kitiara bei sich. Er kennt alles, was
sie versuchen könnte.
Wieder Stimmen. Und wieder kamen sie unten von der
Schloßmauer. Flüstern. Wollten die Schloßbewohner etwa
selbst angreifen? Kitiara sah wieder hoch zu ihrem eigenen
Lager. Sie hatte keine Zeit, Caven oder andere Verstärkung
zu holen, und wollte auch nicht unnötig Alarm schlagen.
Vielleicht hörte sie nur das Geflüster ihrer eigenen Soldaten, das gespenstisch von den Steinmauern zurückgeworfen wurde.
»Dieser verfluchte Nebel«, flüsterte Kitiara. Nachdem sie
ihr Schwert gezogen hatte, nutzte sie Nebel und Gebüsch
als Deckung und schlich auf die Stimmen zu. Sie konnte
kaum etwas sehen, gerade mal ihre eigenen Füße, aber
dennoch schob sie sich vorwärts.
Die Stimmen schienen jetzt von links zu kommen. Plötzlich türmte sich vor Kitiara der graue Granit des Schlosses
wie der gewaltige Grabstein eines Gottes der Vorzeit auf.
Kitiara entfuhr ein Laut der Überraschung. Sie sah die Silhouette eines Busches, der genau am Fuß des Schlosses
wuchs, und duckte sich dahinter.
»Wer ist da?«
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