Der Bund der Drachenlanze - 11 Tina Daniell
großes, fliegendes Wesen mit ausgebreiteten Flügeln und langen
Klauen. Die Wolke schien das Wasser vor sich au fz uwühlen. Als er weiter in die Richtung sah, wurde Sturm bewußt, daß die Wolkenmasse sich bedrohlich auftürmte.
Rasch kam sie näher und würde schon in wenigen Minuten
das Schiff erreicht haben.
Sturm setzte sich in Bewegung, trat von der Reling zurück und warf einen Blick auf das hintere Deck, das immer
noch vom dröhnenden Gelächter der Mannschaft widerhallte. Er mußte Kapitän Murloch finden, damit der das
Schiff auf einen Sturm vorbereitete. Dann wollte er nach
Caramon und Tolpan sehen.Unter Deck war Tolpan währenddessen äußerst beschä ft igt gewesen, denn er hatte
sorgfältig seinen magischen Brief an Raistlin Majere, Caramons Zwillingsbruder, aufgesetzt. Raistlin würde sicher
begeistert sein! Tolpan hatte schon lange auf diese Gelegenheit gewartet – nun ja, wenigstens seit dem Abend, an
dem sie an Bord der Venora gegangen waren, als der Inhalt
eines seiner Beutel verrutscht war und die magische Flasche sich ihm in die Seite gebohrt hatte.
Erst da hatte er sich an die magische Flasche erinnert, die
er vor ein paar Jahren bei einem Händler in Sanction gegen
Perlen und Parfüm eingetauscht hatte. Oder vielleicht war
es auch bei einer Kusine in Kenderheim gewesen. Es war
schon sooo lange her.
Jedenfalls hatte man Tolpan versichert, daß er die Flasche
in den weitesten Ozean schleudern konnte, damit sie irgend jemand irgendwo in Ansalon eine Botschaft übermittelte. Das war genau wie die verblüffenden Kunststücke,
die immer in den Geschichten auftauchten, die sein Onkel
Fallenspringer erzählt hatte, und jetzt war genau die richtige Gelegenheit, die magische Flasche auszuprobieren.
Raistlin, der praktisch selbst ein Zauberer war – er hatte
sich zwar noch nicht der Prüfung unterzogen, würde das
jedoch schon bald tun –, machte eine so ausgefallene Möglichkeit der Verständigung bestimmt Spaß. Wer weiß? Der
junge Magier würde vielleicht sogar bei dem griesgrämigen, alten Zwerg, Flint Feuerschmied, wegen Tolpans Einfallsreichtum und seiner absoluten Zuverlässigkeit ein gutes Wort für ihn einlegen.
Aber bei Raistlin mußte man äußerst genau abwägen,
was man schrieb – oder sagte –, überlegte Tolpan, während
er mit der Feder über dem zerknitterten Stück Pergament
saß. Raistlin hatte oft schlechte Laune und war manchmal
richtig grantig. Eine Nachricht in einer magischen Flasche
war womöglich genau das Richtige, um ihm ein Lächeln zu
entlocken – vorausgesetzt, es war eine gut geschriebene
Mitteilung.
Minutenlang starrte Tolpan das unbeschriebene Blatt vor
sich an. Seine Stirn war gerunzelt, der Haarknoten hielt
ungewöhnlich still. Schließlich begann Tolpan zu schreiben: Lieber Raistlin!
Ist das nicht erstaunlich? Ich schreibe dir von Bord des guten
Schiffs Venora… jedenfalls w ar es bis jetzt ein gutes Schiff (seit
zwei Tagen und zwei Nächten). Caramon ist oben…
Das strich Tolpan wieder durch.
Caramon ist auf Deck, wo er sich mit seinen neuen Freunden,
den Matrosen, amüsiert, und Sturm wandert wohl auch dort
herum und wälzt tiefsinnige Gedanken. Du kennst ja Sturm.
Nun, ich denke, du kennst auch Caramon. Hei, Tanis!
Dieser Brief soll dir mitteilen, was geschehen ist, seit wir in
Südergod angekommen sind. Wir haben die zweitägige Reise die
Küste hinunter ohne Zwischenfall hinter uns gebracht. Unser
kleiner Ausf l ug war erfolgreich. Der kräuterkundige Minotaurus,
der das Jalopwurzpulver verkauft hat, das du für deine Forschungen zu dem seltenen Spruch brauchst, war genau da, wo
Asa es gesagt hatte. Ich hatte diesbezüglich nie Zweifel, denn wie
alle Kender kennt sich Asa bestens mit Karten aus, und im Kräutergeschäft weiß er wirklich Bescheid. Keine Sorge. I ch habe das
Jalopwurzpulver sicher in einem meiner Beutel. Dabei sprang
Tolpan auf und tätschelte sicherheitshalber einen der Beutel auf der Koje, wobei seine Blicke wachsam hin und her
jagten. Tolpan sah oder hörte nichts Besonderes. Seine Ohren nahmen kein anderes Geräusch wahr als das friedliche
Knarren des Schiffs und das Rascheln seiner eigenen Bewegungen. Mit wiedergewonnener Sicherheit setzte er sich
wieder an das improvisierte Schreibpult unter dem Bullauge und widmete sich erneut seiner magischen Botschaft. Du
hast vielleicht schon erraten, daß dies eine magische Flasche ist.
Ich habe sie während der Zeit meiner Wanderlust schlau und
Weitere Kostenlose Bücher