Der Bund der Drachenlanze - 11 Tina Daniell
würde, falls er
noch lebte. Und als Gladiator gegen minotaurische Gegner
hatte er wohl auch wenig Chancen.
»Oh, ich weiß nicht«, widersprach Caramon mit breitem
Grinsen. »Wenn die Tolpan mit seinem Hupak losschlagen
lassen, hat er durchaus eine Chance.«
Beide mußten kichern, als sie sich vorstellten, wie Tolpan
seinen Hupak gegen so einen Stiermenschen einsetzen
würde.
Sturm stellte fest, daß es das erste Mal seit über einer
Woche war, daß einer von ihnen gelächelt oder gelacht hatte. »Was glaubst du, wie lange es her ist«, fragte er Caramon, »seit wir vom Kapitän der Venora verraten wurden
und in diesem Teil der We l t gelandet sind?«
»Ich hab’ nicht mehr mitgezählt. Ich würde sagen, zehn,
zwölf Tage.«
»Das klingt ungefähr richtig«, sagte Sturm entmutigt.
»Glaubst du, Raistlin und die anderen suchen uns? Glaubst
du, wir kommen je hier raus?«
Caramon sah seinen Freund an, weil ihn der trübsinnige
Ton überraschte. In der Finsternis konnte er nur gelegentlich einen Widerschein von Sturms Augen sehen. Diesmal
war es der Zwilling, der Zuversicht fühlte. Er streckte die
Hand aus und berührte den jungen Solamnier an der
Schulter. »Vertrau auf die Götter«, sagte Caramon.
»Ja«, wiederholte Sturm. »Vertrau auf die Götter.«
Sie schliefen auf dem Steinboden, so gut es ging, und
wärmten sich gegenseitig den Rücken.
Vier weitere Tage und Nächte vergingen mit quälender
Langsamkeit. Manchmal hörten sie Geräusche, die so klangen, als würden tote Körper herausgeschleift.
Einmal kam der wichtige Minotaurus mit den Abzeichen
zurück, um sie noch einmal zu begutachten. Diesmal war
ein knochiger Menschensklave bei ihm, der Lumpen und
dicke Sandalen trug. Der Minotaurus sagte nichts, sondern
starrte sie nur mit verschränkten Armen abschätzig an. Der
Ausdruck auf seinem Gesicht war undurchschaubar. Der
Menschensklave scharwenzelte und sabberte zu seinen Füßen herum und murmelte unverständliche Laute. Der Minotaurus streichelte ihm wie einem Hund den Kopf.
Schließlich machte der Minotaurus auf dem Absatz kehrt
und ging. Der Menschensklave sprang ihm hinterher.
Diesmal hatte Sturm während des Begutachtens seine
Zunge im Zaum gehalten, denn er hatte beschlossen, sich
seinen Zorn aufzusparen, bis er wirklich eine Chance hatte,
zurückzuschlagen.
Caramon war der Glücklichere. Einmal am Tag ließ man
ihn aus der Zelle, damit er Wasser und Fleisch an die anderen Gefangenen verteilen konnte. Durch die Arbeit kam er
rasch wieder zu Kräften, und die Eimer schienen jeden Tag
leichter.
Der Ablauf war immer gleich: Zwei Wachen ließen ihn
heraus, dann zog sich die eine wieder auf den Posten am
Eingang des Kerkers zurück, während die andere Caramon
auf seiner Runde begleitete und immer in der Nähe blieb.
Am Posten waren Tag und Nacht stets mindestens ein
Dutzend bewaffnete Minotauren stationiert. Dort hinauszurennen, wäre Selbstmord gewesen. Es schien keine Möglichkeit zur Flucht zu geben.
Am zweiten Tag seiner neuen Arbeit hatte Caramon den
gebrochenen Mann wieder gesehen. Er war eindeutig während der Nacht gefoltert worden. Schultern und Rücken
bluteten stark.
Schlaff und bewußtlos hing der Mann in seinen Fesseln.
Wieder sprach Caramon ihn flüsternd an, doch diesmal
erhielt er keine Antwort.
Die Minotaurenwache schrie den Majerezwilling an, sich
zu beeilen.
Am nächsten Tag ging es dem gebrochenen Mann kaum
besser.
Am vierten Tag hatte das ovale Gesicht aufgeblickt und
die Lippen bewegt, doch die Worte, die er sagte, verstand
Caramon nicht. Der Mann redete in einer fremden Sprache.
Und nachdem er wie im Fieber gesprochen hatte, fiel sein
Kopf schlaff herunter.
Caramon und Sturm unterhielten sich in jener Nacht
wieder über den gebrochenen Mann. Die meisten anderen
Gefangenen waren offensichtlich Abschaum, die üblichen
Gefängnisinsassen in jedem beliebigen Kerker. Dieser eine
jedoch erweckte in Caramon Mitleid und Neugier. Doch
die beiden Gefährten kamen zu keinem Ergebnis, wer der
gebrochene Mann sein könnte, oder wie er von ihrem
Kommen erfahren hatte.
Am fünften Tag war der Angekettete kräftiger und etwas
aufgelebt. Er schien auf Caramon zu warten und winkte
ihn näher heran. Der Zwilling blickte über die Schulter zu
der Minotaurenwache, die weit hinten im Korridor an die
Wand gelehnt auf dem Boden saß. Der Minotaurus wurde
nachlässiger. Schließlich war Caramon unbewaffnet und
hatte keine Chance zu fl iehen.
»Es ist alles
Weitere Kostenlose Bücher