Der Bund der Drei
die Stadt, in ein Haus an ihrem Rande, Gott sei Dank, wo noch viel Grün und Blühen ist und eine Ecke weiter sogar noch ein weites, freies Feld, das in manchen Jahren Getreide trägt, in anderen wieder Kartoffeln oder auch das bunte Kleid einer Futterwiese. Aber es war die Stadt, in der wir jetzt leben mußten, eine fremde Stadt, voll fremder Menschen, die uns, die so lange Einsamen, beängstigten. Unser kleiner weißer Freund fehlte uns gerade jetzt zu jeder Stunde, und so begann ich die Frage zu erwägen, ob wir uns nicht wieder einen Gefährten anschaffen sollten. Ich unterhielt mich lange mit Puck darüber, und er meinte, er nähme es mir nicht übel, er wisse, daß ich niemals wieder ein Wesen mit der gleichen Liebe lieben werde wie ihn. Und es gäbe so viele arme Hunde, die in unserem Hause glücklich werden könnten, warum sollten wir nicht einem von ihnen dieses Glück geben?
Ich studierte die Inserate und fand eine Hundehandlung. Dorthin fuhr ich eines Nachmittags. Sie lag mitten in der Stadt an einem Bahndamm, und es war eine baufällige, verdächtig aussehende Bude, wie aus einem englischen Detektivroman. Es hatte zu regnen begonnen, als ich ankam. Draußen vor der Baracke, an einer Schnur angebunden und im strömenden Regen schlotternd, saß ein wunderschöner Cockerspaniel. Er sei erst an diesem Morgen gekommen, sagte mir der Händler, der in seinem dreckigen Pullover und seiner Schiebermütze genau in das Milieu paßte. Im übrigen sei es ein echter Springercocker. Stammbaum anbei. Und so nahm ich den Hund draußen im Regen, weil er nicht einmal Platz hatte in der armseligen Hütte, und außerdem, weil er so schön war und mich aus den goldenen Augen zwischen den langen Behängen ein so todestrauriger Blick getroffen hatte. Ein furchtbar menschlicher Blick.
So kam Cocki zu uns. Zu Hause nahmen wir ihn uns erst einmal vor, badeten ihn, wischten Augen und Ohren aus, gingen auf die Ungezieferjagd. Anschließend verdrückte er eine randvolle Schüssel. Dann sah ich ihn mir zum ersten Male richtig an: ein starkes Tier von anderthalb Jahren. Etwas ganz Besonderes sind die Augen: Sie sind nicht braun, sie sind wirklich golden, von der Farbe des roten Nibelungengoldes, wie es in der Sage beschrieben ist. Die Augenlider darunter, die etwas abhängen, zeigen ihr dunkelrotes Innere. Manchmal ergibt das den vorwurfsvollen Blick eines alten Säufers, dem man seinen geliebten Schnaps gerade weggenommen hat. Meist überwiegt im Blick dieser Augen das großartig Trauernde. Nur manchmal kann es kühn und löwenähnlich blicken, wie Cocki überhaupt in seinen Bewegungen an einen kleinen Löwen gemahnt. Der Gang ist erstaunlich leicht und katzenhaft, die starken Muskeln spielen dabei unter dem Fell. Er springt trotz seiner Schwere wie eine Katze. Kein Zaun ist dem kurzen, stämmigen Tier zu hoch. Im übrigen ist jede Sentimentalität ihm gegenüber unangebracht. Er ist ein schlauer Tyrann, ein starker Fresser und Säufer — und ein berüchtigter Don Juan. Ein Bursche, der großartig von Leben strotzt. Als er in unser Haus einzog, war es Herbst. Die Bäume flammten, der Himmel war hoch und blaßblau, und das Sonnenlicht von jener klaren Durchsichtigkeit, die schon das große Sterben ahnen läßt...
Cocki nahm zunächst von dem herbstlichen Garten Besitz. Er raschelte in den Blättern, grub nach Mäusen und verjagte einen alten Kater, der ihm auf dem Gebiet des Mäusefangens Konkurrenz machen wollte. Ich hatte vor, ihn eine Weile im Garten zu halten, damit er sich erst an die Umgebung gewöhne. Dieser Plan wurde aber bereits am ersten Tage durchkreuzt, denn Cocki setzte mit einem einzigen Sprung seiner federnden Muskeln über den anderthalb Meter hohen Zaun und watschelte O-beinig auf seinen dicken Sohlen auf der Straße weiter, als sei das nichts Besonderes.
Ich schnauzte ihn an, aber es traf mich nur ein verächtlicher Altmännerblick. Bald darauf entdeckte ich auch einen der Gründe seines Verhaltens: Er weigerte sich nämlich hartnäckig, gewisse unvermeidliche Geschäfte im Garten zu erledigen, und damit stieß ich auf einen seiner unverrückbar scharf ausgeprägten Charakterzüge, nämlich: das Gefühl des Besitzes und der Reinhaltung dieses Besitzes. Das Haus war sein Reich, der Garten gehörte zum Haus und durfte infolgedessen für das Beinheben und andere Übungen nicht benutzt werden, die er sonst mit hündischer Gründlichkeit vollzog.
Bei unsern ersten Spaziergängen setzte Cocki dann die Erziehungsarbeit
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