Der Bund der Drei
wo die Schwingung des Zaunes am tiefsten herunterhängt. Seine Augen zeigen den Löwenausdruck mit einem Schuß pfiffiger Schläue darin. Dann ist er mit einem Satz auf der Steinbrüstung und kriecht, wie ein kleiner Panther, die Maschen des Gitters hoch. Jetzt ist er am oberen Rand, einen Moment schwebt er in der Balance, und dann, mit einem Plumps, läßt er sich in den fremden Garten fallen. Dort folgt er, die Nase wie einen Staubsauger fest auf die Erde gedrückt, einer unsichtbaren Spur, die ihn in immer schnellerem Galopp kreuz und quer durch den Garten rasen läßt. Er ist völlig besessen. Die Kurven der Spur nimmt er so scharf, daß die Ohren hin und her fliegen, und die ganze Unternehmung endet vor der Haustür, die einen bronzenen Engelskopf mit einem Ring im Munde trägt.
Cocki richtet sich auf und kratzt. Als nichts erfolgt, setzt er sich auf die Hinterkeulen und stößt ein kleines, jämmerliches Weinen aus, das bei ihm wie eine schlaue Verstellung klingt. Sie dauert jedoch nicht lange, denn als sich abermals nichts ereignet, bricht aus seinem mächtigen, bulldoggenbreiten Brustkasten ein herrisch-scharfes, befehlerisches Bellen: Ihr da drinnen, ‘raus mit der Braut!
Und wie seinem Befehl gehorchend, öffnet sich die Tür. In ihrem Rahmen erscheint eine alte, zierliche Dame, schwarzgekleidet mit schneeweißem Haar, und hat auf dem Arm die Braut. Eine winzige Pekinesin! Vor dem Zaun gewaltiger Aufruhr, vielstimmiges Gebell, ärgerlicher Austausch von Bissen untereinander. Am albernsten gebärdet sich ein Bernhardiner, der die Gemeinschaftsbraut bestenfalls als Zahnfüllung verwenden könnte.
Cocki, der siegreiche Eindringling, hat sich derweilen aufgerichtet und saugt gierig den beseligenden Duft ein. Zwischendurch placiert er Handküsse auf die schmalen weißen Altfrauenhände. Er wird dafür freundlich gestreichelt, der Gauner. Draußen ziehe ich den Hut. »Das ist mein Hund, gnädige Frau, vielleicht darf ich ‘reinkommen und Sie von seiner Zudringlichkeit befreien ?«
Worauf mir mit maßvoller Entrüstung geantwortet wird: »Ach, das ist doch Cocki, sei’n Sie doch nicht so streng mit ihm! Ich sperre ihn ins Haus, während Elisabethchen draußen ist, und nachher kann er dann im Garten ruhig herumstromern. Sie können ihn ja abends abholen, wenn Sie wollen .«
Sind die interessanten Tage einer Hündin vorüber und tritt mal eine kurze Pause ein, so kehrt Cocki mit unverkennbarer Beglückung in den Ablauf des Haushaltes zurück. Er scheint es als eine Art Ferien inmitten anstrengender Dienstverpflichtungen aufzufassen. Pünktlich wie eine Uhr ist er bei den Mahlzeiten, er springt sogar morgens, obwohl karg an Liebesbezeigungen Männern gegenüber, zu mir ins Bett oder richtet sich wenigstens am Bett auf und leckt mir schnell über das Gesicht. Er schnarcht nach dem Mittagessen in meinem Lieblingssessel, bleibt bei den Spaziergängen in hundert Meter Umkreis und läßt sich abends mit wahrem Genuß auf seine Schlafdecke in der Küche plumpsen.
Bis er dann bei einem Spaziergang irgendwo wieder stehenbleibt, schnüffelt, die Erde mit der breiten Tatze fieberhaft aufgräbt, um noch besser riechen zu können, dann den Kopf witternd in den Wind hebt und sich im Zuckeltrott in Bewegung setzt, der bald in Galopp übergeht, bis die wehenden Ohren und fliegenden Hinterpfoten um eine Ecke entschwinden. Ein neues Abenteuer hat begonnen...
Seufzend dreht Herrchen auf der Straße um und denkt, den Spaziergang abkürzend und vereinsamt heimwärts strebend, darüber nach, wie es wäre, wenn er selbst mal mit wehenden Ohren um ein paar Ecken sausen würde...
Einmal in seinem Leben bisher durfte Cocki sich legal betätigen. Seine Fotografien, die ich als glücklicher Hundevater und Fotoamateur in meiner Bekanntschaft zu verstreuen pflege, trafen auch die Besitzerin einer Springercocker-Hündin. Es folgte darauf, nach mehreren Telefonaten, bei uns ein Staatsbesuch der Schwiegermutter mit Tochter. Hundetochter Jenny beroch, freundlich mit dem Stummel wedelnd und rührend ahnungslos, den auserwählten Vater ihrer künftigen Kinder. Cocki zog verbindlich die Augenbrauen hoch und wedelte seinerseits ein paarmal höflich mit dem Hinterteil. Dann machte sich die Auserwählte ungeniert über seinen Futternapf her. Cockis Stirn schlug Falten, und in seine Augen trat jener gefährliche Ausdruck von Neugier, der ungefähr besagt: Ich bin doch gespannt, wie sich der andere benehmen wird, wenn ich ihn jetzt am Genick
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