Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
dem Objekt, das der Hauptmann ihr gezeigt hatte, um Septerns
Amulett handelte. Wie konnte es etwas anderes sein? Die Kolleg-Überlieferungen in drei Sprachen. Der dordovanische Kode, der den Zugang zu Septerns Werkstatt verriet.
Sie bekam Angst, als sie sehen musste, dass der Hauptmann das Amulett besaß, und sie hatte nichts weiter tun können, als zu bestätigen, was er ohnehin schon wusste. Und dass tatsächlich eine Suche nach Dawnthief im Gange war, dass sie weit fortgeschritten war und dass es ihm höchstwahrscheinlich gelungen war, den xeteskianischen Magier Denser zu fangen.
Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Allmählich kam sie auf den Gedanken, dass der Hauptmann nicht bloß einfach ein Mann war, dessen Träume zu ihren Alpträumen passten. Jetzt bestand eine echte Möglichkeit, dass er tatsächlich die Katalysatoren zusammenführte und den Spruch unter seine Kontrolle brachte. Wenn ihm das gelang, dann würden sich die Kollegien gegenseitig zerreißen, um ihn zu bekommen. Es würde einen weiteren Krieg geben, und sie hatte große Angst, dass Xetesk ihn gewinnen würde.
»Ihr müsst wissen, dass ich entschlossen bin, alles über Dawnthief herauszufinden, was Ihr wisst, und wenn ich muss, werde ich Euch wehtun.«
Ilkar hob sein Gesicht mit der frischen, blutenden Wunde zu Travers, doch er sagte nichts. Nachdem Denser abgeführt worden war, hatten sie Ilkars Handgelenke an die Wand gekettet und ihn mit der flachen Seite einer Schaufel geschlagen. Anschließend hatte man ihn fast eine Stunde lang, angekettet, wie er war, sich selbst überlassen. Dann hatte man ihn erneut, wenngleich nicht ganz so lange, geschlagen. Ein besonders wilder Schlag hatte sein Gesicht getroffen und seine Nase und die Lippen verletzt. Er hatte
starke Schmerzen, doch damit konnte er umgehen. Viel größere Angst hatte er vor inneren Verletzungen. In seinem jetzigen Zustand war er nicht in der Lage, eine solche Wunde zu behandeln. Erst recht nicht, wenn man ihn auch noch unter Drogen setzte. Außerdem wusste er, dass er keine Zeit mehr herausschinden konnte, wenn er schwieg.
»Kommt schon, Ilkar«, drängte Travers. »Es ist doch wirklich sinnlos.« Der Hauptmann sprach inzwischen etwas undeutlich. »Das müsst Ihr doch einsehen, was?«
»Ihr scheint es jedenfalls zu glauben«, erwiderte Ilkar.
»Er spricht!« Travers klatschte in die Hände. »Bravo! Ich muss schon sagen, wir waren recht sicher, was Eure Identität angeht. Immerhin reiten nicht sehr viele Elfen aus Julatsa mit dem Raben, nicht wahr?«
»Nicht viele, nein«, stimmte Ilkar zu.
»So ist es.« Travers lächelte und legte Ilkar eine Hand auf die Schulter. »Ich denke, Ihr würdet Euch jetzt gern setzen, was?«
»Das habt Ihr gut erraten.« Ilkars Handschellen wurden entfernt, und er wurde wieder auf den Stuhl gesetzt, abermals mit hinter dem Rücken gefesselten Armen. Es war erheblich bequemer, und der Magier musste ein kleines Lächeln unterdrücken, als ihm der Gedanke kam, dass er nie damit gerechnet hätte, er könne es jemals als erleichternd empfinden, zerschlagen und voller Prellungen an einen Stuhl gefesselt zu werden. Es war eben alles eine Frage der Perspektive.
Der Hauptmann ließ sich ebenfalls nieder, schenkte sich ein weiteres Glas ein und nahm einen großen Schluck. Er musste betrunken sein, doch er schien seine Gedanken völlig unter Kontrolle zu haben. Das einzige äußere Anzeichen seines Rauschs waren das gerötete Gesicht und die leicht nuschelnde Sprechweise.
»Nun, dann haben wir also endlich begonnen, Ilkar, und ich möchte Euch für Eure Widerstandskraft ein Kompliment machen. Doch das muss jetzt ein Ende haben, also beantwortet bitte meine Fragen, und dann könnt Ihr wieder ausruhen. Ich würde nur ungern weitere Strafmaßnahmen anordnen, aber Ihr müsst bitte verstehen, dass ich nicht davor zurückschrecken werde, es zu tun, falls es sich als notwendig erweisen sollte.«
Wieder lächelte Travers. Dieses Mal war das Lächeln schmal und humorlos. Ilkar reagierte nicht.
»Ich gehe davon aus, dass wir uns verstanden haben«, sagte Travers. Er trank sein Glas leer und goss sich die letzten Tropfen aus der Flasche ein. Er winkte mit der leeren Flasche einem Soldaten, der sie entgegennahm und entsorgte. Ilkar sah schweigend zu, wie der Hauptmann den kleinen Rest ebenfalls kippte.
»Hofft Ihr etwa, ich werde das Bewusstsein verlieren?« Dieses Mal war das Lächeln breiter. »Da muss ich Euch leider enttäuschen. Was ist mein Rekord,
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