Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
müde Glieder die Haltung wechselten, war es still.
Nach der kurzen Besprechung trank der Rabe schweigend Kaffee. Eigentlich hatten sie nicht viel zu sagen, aber alle freuten sich über das kurze Gefühl von Normalität.
Später, als neuer Brennstoff aufs Feuer gelegt war, damit sie es warm hatten, und die Schalen, Teller und Spieße wieder neben den Wasserkesseln verstaut waren, untersuchten die vier Magier die Texte und Papiere, die sie aus Xetesk und Julatsa mitgebracht hatten.
Mehrere Stunden lang hörte man nur das Rascheln von Blättern und hin und wieder ein Seufzen oder ein Schnaufen. Gelegentlich brauchte einer von ihnen eine Übersetzung für bestimmte Begriffe oder Redewendungen, auch wenn nur wenig in der Sprache der Überlieferung geschrieben war, und dann erfüllte eiliges Flüstern den Raum.
Anfangs hatten Jatha und seine Männer die Besucher aus Balaia noch neugierig angestarrt, doch das Interesse ließ rasch nach, und als die Zeit verging, schliefen die meisten ein. Nur zwei Wächter saßen am oberen Ende der Treppe direkt unter dem Deckel.
Hirad lehnte sich an. Der Unbekannte hatte sich mit gestreckten Beinen neben ihm niedergelassen. Die Unterhaltungen waren verstummt, und Thraun, der seit ihrem Abstieg in den Choul kein Wort gesprochen hatte, hing seinen eigenen Gedanken nach.
Als die Magier schließlich alles gelesen hatten, versorgten sie sich noch einmal mit Kaffee, stapelten die Texte zwischen sich und begannen zu reden.
»Styliann, wie lange habt Ihr eigentlich schon gewusst, dass diese Informationen in Xetesk zu finden sind?«, fragte Erienne.
»Gleich von Anfang an. Der einzige Grund für mein
Schweigen waren die Schwierigkeiten, mit denen ich rechnen musste, wenn ich sie aus dem Kolleg holen wollte.«
»Habt Ihr sie denn schon einmal studiert?«, bohrte sie.
»Nein, nicht so gründlich wie jetzt, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Sie wurden in versiegelten Tresoren aufbewahrt.«
»Und was sagt Ihr nun dazu?«
»Warte mal«, unterbrach Ilkar sie. »Wir kommen nicht weiter, wenn wir aufs Geratewohl irgendwelche Meinungen formulieren. Wir wollen die Aufgabe identifizieren und versuchen, sie Stück für Stück zu lösen. In Ordnung?« Die anderen nickten, um Stylianns Lippen spielte ein Lächeln.
»Wie immer ganz der Diplomat, Ilkar.«
Ilkar zuckte mit den Achseln. »Wir dürfen einfach keine Zeit vergeuden. Wer möchte jetzt das Problem umreißen?«
»Also gut«, sagte Erienne. »Wir haben einen unkontrollierten Riss, der zwei Dimensionen verbindet und aus dem interdimensionalen Raum eine Energie bezieht, die ihn exponentiell wachsen lässt. Wir glauben, dass der Riss durch konventionelle Magie geschlossen werden kann, weil er auch auf diese Weise entstanden ist. Allerdings gibt es in der Überlieferung bis jetzt noch keinen Spruch für die Auflösung eines solchen Risses, und deshalb müssen wir uns selbst etwas zusammenbauen. Wir müssen mehr oder weniger aufs Geratewohl aus Septerns Schriften das verwenden, was wir hier haben, und es durch unser geringes Wissen ergänzen. Die Risiken sind unglaublich hoch, wir sind nicht sicher, ob wir Erfolg haben, und wir wissen nicht, wie viel Kraft man dazu braucht. Wie klingt das?«
»Darüber hast du schon länger nachgedacht, nicht wahr,
meine Liebe?« Denser fuhr ihr mit einer Hand durchs Haar. Ilkar kicherte, allerdings mehr über das Funkeln in Densers Augen als über seine Worte. Das war der alte Denser, und er war froh, ihn wieder zu sehen. Er fragte sich, was die Veränderung bei dem Xeteskianer bewirkt hatte. Ihm war klar, dass Erienne eine Menge damit zu tun hatte, aber er vermutete, dass ein großer Teil dieser Tatkraft schon die ganze Zeit in dem Mann geschlummert hatte. Sie hatte nur darauf gewartet, geweckt zu werden.
»Ich denke, das ist eine sehr präzise Zusammenfassung«, sagte Styliann. »Wenn Ihr erlaubt, Rabenmagier, dann möchte ich darauf hinweisen, dass der erste Teil des Rätsels darin besteht herauszufinden, ob wir eine Mana-Gestalt aufbauen können, die fähig ist, eine Verbindung zum interdimensionalen Raum herzustellen. Denn wenn uns das nicht in der Nähe des Risses gelingt, dann haben wir keine Hoffnung, den Himmel wieder zusammenzunähen, um einen etwas bildhaften Ausdruck zu verwenden.«
Ilkar sah ihn an. »Nähen? Zusammennähen?« Er beugte sich vor und wühlte im Papierstapel herum. »Septern hat genau dieses Wort benutzt, um zu beschreiben, was man mit gebundenen Durchgängen tun muss. Ja,
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