Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
Rabenkrieger erwischen und damit ihren verzweifelten Versuch vereiteln, die Hilfe von Fabelwesen zu erbitten. Außerdem gab es dadurch einen Feind weniger, der bekämpft werden musste.
Das hatte er seinen Hauptleuten und allen Kriegern erzählt, mit denen er gesprochen hatte. Sein brutales Grinsen dabei hatte zu einem Stammesfürsten gepasst, der die Lage im Griff hat.
Doch als er allein war, plagten ihn Zweifel, wie er sie vor den Toren des Kollegs nie empfunden hatte. Er fragte sich, ob die achttausend, die er in Julatsa zurückgelassen hatte, um die Gefangenen zu bewachen und die Verwundeten zu pflegen, nicht vielleicht diejenigen waren, die das größere Glück gehabt hatten. Diese Männer hatten das Gefühl, um die Chance gebracht worden zu sein, neuen Ruhm zu erwerben, was sie beinahe als Demütigung empfanden. Senedai wünschte fast, er wäre bei ihnen geblieben, wie es sein Recht als siegreicher Feldherr gewesen wäre. Julatsa war nun ein für alle Mal seine Stadt.
Er stand am Rand des Lagers der Wesmen, außerhalb des Kreises seiner vorgeschobenen Wachen, und blickte zu den Ruinen. Dort drüben war einer der wichtigsten Gründe für seine Zweifel zu sehen. Vierhundertsiebenundsechzig waren es. Er hatte am Vortag einen Späher geschickt, sie zu zählen. Sie trugen identische Rüstungen und hatten identische Totenmasken vor den Gesichtern. Alle standen aufrecht da.
Schweigend, reglos.
Senedai schauderte und sah sich um, ob auch keiner seiner Leute seine Unsicherheit bemerkt hatte. Die Stille der Gegner war äußerst beunruhigend, diese stocksteife, aufrechte Haltung mit den vor dem Bauch verschränkten
Händen. Nur ihre Köpfe bewegten sich hin und wieder, wenn sie den Aufmarsch der Wesmen beobachteten. Sie waren gefährliche Gegner, und Senedai war sicher, dass sie nicht tatenlos stehen bleiben und abwarten würden, wenn er seinen Bogenschützen den Feuerbefehl gab. Einerseits waren die Bogenschützen die beste Möglichkeit, ihre Formation zu schwächen, aber andererseits war der Gedanke, dass sie auf ihn zugerannt kamen, trotz ihrer Unterlegenheit nicht gerade angenehm. Wie auch immer, dies musste wie alles andere bis zum nächsten Morgen warten.
Er kehrte dem Haus den Rücken und dachte, während die untergehende Sonne den Himmel rot färbte, über das Zeichen nach, das über Parve hing. Das Loch im Himmel. Der junge Magier hatte endlos über Drachen geschwatzt, die durch das Loch herabstoßen und alles vernichten würden, und Senedai war keineswegs sicher, dass man ihm nicht glauben konnte und dass es tatsächlich keine Drachen gab. Genau deshalb war er ja auch hier, und deshalb hatte Lord Tessaya ihm befohlen, um jeden Preis die Ruinen bis aufs Fundament einzureißen und den Raben zu hetzen, bis er tot war. Tessaya wusste, dass es dort ein Tor gab. Einen Durchgang zu einem anderen Ort. Tessaya hatte sehr genau erklärt, was Senedai zu tun hatte.
Wieder lief es Senedai kalt über den Rücken. Er kehrte zu seinem Zelt zurück. Die ganze Gegend roch nach Magie und nach etwas Bösem. Er bekam eine Gänsehaut. Vielleicht kam Tessaya noch rechtzeitig, sodass er nicht allein angreifen musste.
Die Barone Blackthorne und Gresse ritten zusammen mit General Darrick durch die Trümmer von Understone. Dreißig Kavalleristen begleiteten sie als Leibwache, doch
ihnen war sofort klar gewesen, dass sie keinen Schutz brauchten. Ihre Armee war weiter nach Osten in Richtung Korina marschiert und dem Understone-Pass ausgewichen, doch man rechnete auf dem Hauptweg nicht mit Widerstand. Die Männer, die sie jagten, waren nicht nach Westen in ihre Heimat unterwegs.
Sie trabten durch die Überreste der Tore des erst vor kurzem erbauten und rasch wieder niedergebrannten Palisadenzauns. Zwei verkohlte Wachtürme standen noch links und rechts daneben. Darrick hatte als Erster die roten Flecken gesehen, sich zu seinen Männern umgedreht und sie gewarnt: »Behaltet für Euch, was Ihr gleich zu sehen bekommt. Es ist kein schöner Anblick.«
Jetzt hielten sie mitten in der Stadt an, oder wenigstens an der Stelle, die früher einmal das Stadtzentrum war, und seine Worte kamen ihm einfältig vor. Kein schöner Anblick – nein, eigentlich hätte er über die Größenordnung seiner Fehleinschätzung lachen müssen, wäre Gelächter nicht völlig fehl am Platze gewesen.
Darrick hatte geglaubt, in seinen langen Jahren als Soldat alles schon einmal gesehen zu haben. Der Krieg war ein hässliches Geschäft. Er hatte gesehen,
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