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Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers

Titel: Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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er getötet worden war, hatte es sich vermutlich um ein unerfahrenes Exemplar gehandelt. Jung. Die vorderen Gliedmaßen, die über ausgeprägte Ellenbogen verfügten, liefen in schmalen Krallen aus. Anscheinend verlangte die Evolution die Entwicklung zierlicher Werkzeuge. Die Krallen waren gekrümmt und scharf und direkt aus dem Knochen gewachsen; sie bestanden nicht aus verhärtetem Gewebe wie menschliche Fingernägel.
    Direkt über den Vordergliedern setzten die Flügel an. Der Unbekannte musste nicht näher heran, um die mächtigen Muskeln zu erkennen, die das Tier mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft tragen konnten. Er bat noch einmal um Hilfe, und zehn bereitwillige Männer spreizten den oberen Flügel gegen den Zug der erstarrenden Muskeln.
    Der äußere Bogen des Flügels maß etwa dreißig Fuß. Die Kante bestand aus einem biegsamen Knochen, der so dick war wie der Oberschenkel des Unbekannten. Weitere zwölf Knochen entsprangen einem komplizierten Gelenk am Ende des Knochens. Zwischen ihnen spannte sich eine dicke, eingefettete Membran.
    »Haltet den Flügel straff.« Der Unbekannte zog einen Dolch und stach auf die Membran ein. Aus dem Riss quoll ein wenig dunkle Flüssigkeit. Kein Blut, eher etwas wie Öl. Der Unbekannte zog einen Finger durch und rieb das Öl zwischen Daumen und Zeigefinger. »Interessant«, sagte er.
Doch obwohl sie höchstens zwei Finger dick war, wollte die Membran nicht reißen. »Danke«, sagte er. Die Männer ließen los, und der Flügel schnellte an den Körper zurück. Dieser schützende Mechanismus war auch im Tod erhalten geblieben. Der Luftzug wirbelte Staub auf. Das Tier musste über ungeheure Kräfte verfügt haben.
    Die Länge des Halses entsprach einem Fünftel des gesamten Körpers. Der massige Leib war, obwohl das Tier auf der Seite lag, immer noch höher als der Unbekannte. Er fuhr mit den Fingern über die weicheren, helleren Schuppen auf dem Bauch, dann betastete er die rauen Schuppen, die die Flanken und den Rücken schützten. Wieder zog er einen Dolch, um den Bauchraum zu öffnen, doch auch dieses Mal konnte seine Klinge nicht die Haut durchdringen.
    Er runzelte die Stirn und konzentrierte sich wieder auf die etwa zwanzig Fuß lange Verbrennung an der Flanke des Drachen. Hier hatte die Haut Blasen bekommen und war geschwärzt. Es gab ein halbes Dutzend tiefer Brandwunden, die sich mit einer widerlichen schwarzen Flüssigkeit gefüllt hatten. Doch auch diese Verletzungen waren nicht tödlich gewesen. Nicht einmal die volle Kraft von Sha-Kaans Feueratem konnte einen anderen Drachen mit einem Schlag töten.
    »Bei den Göttern, ihr seid vielleicht zähe Biester«, murmelte er. Die Suche nach Schwachpunkten ging weiter.
     
    »Was, zum Teufel, macht er da?«, fragte Denser missmutig. Er konnte sehen, wie der Unbekannte am Rumpf des Drachen entlang zum zwanzig Fuß langen, dünnen Schwanz schritt, der vor allem der Balance diente. Hier und dort stach er mit dem Schwert hinein, gelegentlich schlug er fest zu, und immer wieder schüttelte er den Kopf.

    »Ich würde sagen, er überlegt sich, wie er einen Drachen töten könnte«, meinte Ilkar.
    »Da kann er lange suchen«, sagte Hirad.
    »Warum macht er sich dann die Mühe?«, fragte Denser. Er schürzte die Lippen und legte sich wieder hin, sein Interesse war offenbar erloschen.
    »Weil der Unbekannte eben ist, wie er ist«, erklärte Hirad. »Er kann nicht anders, er muss den Feind kennen, gegen den er kämpfen muss. Er sagt, zu wissen, was man nicht kann, sei wichtiger als zu wissen, was man kann.«
    »Das leuchtet mir ein«, sagte Thraun.
    »Das ist ja alles äußerst faszinierend«, schaltete Styliann sich ein, »aber müssen wir wirklich so lange auf ihn warten?«
    »Ja«, versetzte Hirad einfach. »Er gehört zum Raben.«
    Der Unbekannte kehrte bald zu ihnen zurück. Er stieß das Schwert in die Scheide, nachdem er die Ketten gelöst hatte, die sie an Ort und Stelle hielten. Normalerweise ragte der Griff über seine rechte Schulter, und die Spitze reichte bis knapp über die linke Kniekehle. Jetzt ließ er die Waffe auf den Boden fallen und setzte sich stirnrunzelnd hin.
    »Nun?«
    »Sha-Kaan hat Recht. Selbst wenn wir nahe genug an einen Drachen herankämen, die einzige empfindliche Stelle befindet sich im Innern des Mauls, und ich vermag mir nicht vorzustellen, dass er so freundlich wäre, das Maul aufzusperren und uns die Kehle anzubieten, damit wir ihn umbringen können. Unsere einzige Chance wäre es, die

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