Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
tippte in Höhe des Herzens auf seine Brust. »Das kannst du nicht abschütteln. Das Dumme ist bloß, dass Denser deinen Brüdern das Gleiche angetan hat wie den Kaan. Er lässt dich schmoren und sitzt es aus.« Hirad machte keine Anstalten mehr, wieder auf ihn loszugehen.
»Wie wenig du doch verstehst, Hirad. Ich bin ein Vater, darum geht es. Und ich werde nicht zulassen, dass das Kind eines anderen umgebracht wird.« Der Unbekannte wandte sich ab, dann drehte er sich noch einmal zurück. »Du bist mein Freund, Hirad. Wahrscheinlich der beste Freund, den ich je hatte. Du hast dafür gesorgt, dass ich aus dem Bann der Protektoren entlassen wurde. Aber ich werde nicht zulassen, dass du das Kind eines anderen Mannes in Gefahr bringst. Das ist eine Bindung, die du erst verstehst, wenn du sie erlebt hast.«
»Aber du hast das Schwert gegen mich gezogen«, sagte Hirad. Seine Wut war verraucht, er fühlte sich jetzt nur
noch hilflos. »Wir sind der Rabe, und was du gemacht hast, das passt nicht zu uns. Es war falsch.«
»Es waren deine Worte«, widersprach der große Mann. »Es lag an deinem Verhalten, Hirad. Es lag auch an dir.«
»Ich glaube, ich werde woanders übernachten«, entschied Hirad. Damit entfernte er sich vom Lagerfeuer des Raben.
16
Jasto, der Zwölfte Graf von Arlen, war ein stolzer Mann, der begriffen hatte, welchen Preis man manchmal zahlen musste, wenn man den Bogen überspannte. Eine Folge davon war, dass er sich nun der festen, gerechten, aber unerschütterlichen Herrschaft von Baron Blackthorne unterordnen musste.
Selbst in den Tagen nach der Zerstörung seiner Stadt, kurz vor dem Ende des Kriegs gegen die Wesmen, als Blackthorne geschwächt war, hatte Arlen sich nicht für stark genug gehalten, um den jüngeren Mann mit einigermaßen guten Erfolgsaussichten herauszufordern. Dabei war er keineswegs ein Feigling und Schwächling, wie zwei seiner ortsansässigen Handelsherren angedeutet hatten. Er war vielmehr aus Erfahrung klug und in letzter Zeit auch wieder sehr reich geworden.
Er konnte sich noch gut erinnern, wie sich seine Handels- und Reederfamilien vor sechs Jahren an ihn gewandt und ihn gedrängt hatten, sich aus Blackthornes Fesseln zu befreien. Sie seien es leid, unter der Knute des Barons zu leben, hatten sie gesagt, und es gebe keine bessere Gelegenheit
als diese, die Unabhängigkeit zu erklären und zu erlangen.
Er hatte ihre Beweggründe verstanden. Nirgends in Balaia gab es noch Söldner, die man anheuern konnte, und Blackthornes eigene Männer waren tot oder des Kämpfens müde. Doch durch einen Angriff hätte Arlen an einem Mann Verrat begangen, der viel geopfert hatte, um Balaia von der Vorherrschaft der Wesmen zu befreien. Statt Bewaffnete mit Schwert und Speer zu schicken, hatte er die Leute mit Hacke, Schaufel, Säge und Hammer ausgerüstet. Statt zu reiten und die Freiheit zu verlangen und eigene Bedingungen zu stellen, hatte er Hilfe und Unterstützung angeboten.
Arlen hatte Steinhauer und Steinmetze rekrutiert, um zu erneuern oder in Stand zu setzen, was die Wesmen zerstört hatten. Tischler und Schreiner erledigten die Holzarbeiten, und er hatte seine Vasallen ermuntert zu helfen, wo sie nur konnten.
Der Graf lächelte leicht, als ihm dies alles noch einmal durch den Kopf ging. Sein grau durchsetzter, buschiger Schnurrbart folgte der Bewegung der Oberlippe, und die ledrige, auf See gegerbte Haut legte sich auf Wangen und Stirn in Falten. Er hatte geholfen, als Hilfe gebraucht wurde, auch wenn er keineswegs ein Mann war, der immer nur selbstlos handelte. Blackthorne hatte dies durchaus erkannt. Es war ein Geschäft.
Handwerker waren nicht billig. Holz, Stein, Eisen und Stahl hatten ihren Preis, und da sie überall gebraucht wurden, waren die Preise hoch. Auch Lebensmittel waren gelegentlich sehr teuer. Alle Kaufleute, Schiffseigner und Besitzer von Fischerbooten hatten davon profitiert. Blackthorne hatte mit keiner Wimper gezuckt. Er hatte vielmehr gelacht, dem Grafen die Hand geschüttelt und
eine Flasche hervorragenden Wein aus dem Keller geholt, den die Wesmen gefunden, aber nicht zerstört hatten. Sogar die Wilden wussten einen guten Tropfen zu schätzen.
Arlen erinnerte sich, wie er unter einer Markise saß, die aus seiner Stadt geliefert worden war, und mit dem schlauen Baron angestoßen hatte. Die Worte, die Blackthorne damals gesagt hatte, waren eine eindrucksvolle Bestätigung dafür gewesen, dass Arlens Entscheidung richtig gewesen war.
Blackthorne hatte
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