Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
einen großen Schluck getrunken und sich zurückgelehnt, um achselzuckend zu verkünden: »So hätte ich es auch selbst gemacht.«
Er hatte die Wegezölle für seine Ländereien gesenkt, die Arlens Kaufleute so hart getroffen hatten. Als Zeichen der Dankbarkeit, hatte er gesagt.
Als Arlen an diesem Tag von Blackthorne nach Hause ritt, hatte er sich gefragt, wie lange die Dankbarkeit halten würde. Fast sechs Jahre später fürchtete er immer noch, es könne jederzeit ein Brief eintreffen, der ihm die Gunst wieder entzog. Eigentlich hätte er sich solche Sorgen nicht machen müssen. Blackthornes Ehre stand außer Frage.
So hatte Arlen in Frieden über eine aufblühende Stadt herrschen können. Handelsschiffe aus Calaius und Korina legten bei ihm an, und immer mehr Bauern wurden aufs fruchtbare Land nördlich der Stadt gelockt, da sie wussten, dass die Preise für ihre Produkte dort nicht von Händlern gedrückt wurden, die sich darauf verstanden, Blackthornes Zölle für sicheres Geleit auf die Bauern abzuwälzen.
Jetzt aber war ein übler Geruch in seiner Stadt entstanden. Der üble Geruch von Magie hatte sich im Süden am Fluss Arl eingenistet. Zuerst waren die Dordovaner
gekommen. Ein paar Magier mit Eskorte. Nichts Ungewöhnliches. Zehn Tage später hatten sich vierzig Schwarze Schwingen mit ihnen vereint – vereint! –, und danach hatten die Zahlen der dordovanischen Soldaten und Magier zugenommen, bis mehr als dreihundertfünfzig von ihnen flussabwärts kampierten.
Seine Gastwirte und Huren hatten nichts zu klagen. Auch nicht die Marktstände, an denen frische Lebensmittel verkauft wurden. Sogar seine Tuch- und Seidenhändler hatten gute Geschäfte gemacht, doch die Zunahme an Diebstählen war mehr als unwillkommen, so sehr man sich auch bemühte, die Halunken in den Griff zu bekommen.
Es gab Grenzen für das, was im Namen guter Geschäfte hinnehmbar war, und diese Grenzen waren heute Morgen überschritten worden.
Es hieß, man habe auf aggressive Weise Vorräte eingekauft und versucht, seetüchtige Schiffe zu requirieren. Die Schwarzen Schwingen hatten Druck ausgeübt, und sie waren offenbar nicht bereit, ein Nein als Antwort hinzunehmen.
Die ausverkauften Vorräte störten ihn nicht, denn die ließen sich leicht ersetzen. Aber Schiffe? Bei den Schiffen, die fähig waren, die weite Reise nach Calaius zu bewältigen, gab es ein sorgfältig ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Seine Schiffseigner trachteten danach, dieses Gleichgewicht nicht zu stören, weil sie auf diese Weise ihren verschwenderischen Lebenswandel finanzierten.
An diesem Punkt machte er sich jedoch nicht über die Reichen Gedanken. Der Handel mit Pökelfleisch, Wein, Rüstungen und Waffen war Gewinn bringend, beruhte aber auf regelmäßigen Transporten. Ebenso kritisch war
der Zustrom an Kaffee, Kleidung, Schmuck und anderen Waren. Arlen konnte es sich nicht erlauben, auf unbestimmte Zeit Transportraum für diese wichtigen Handelsgüter zu verlieren.
Er hatte bereits die Stadtwächter geschickt, um einen Streit um ein Schiff zu schlichten, das von einer Gruppe von Händlern gemietet worden war. Anscheinend hatten die Schwarzen Schwingen die doppelte Bezahlung für den Transport ihrer Truppen nach Ornouth geboten. Als der Schiffsmakler sich geweigert hatte, weil er lieber den Vertrag mit seinen Stammkunden erfüllen wollte, war er bedroht worden, und einer seiner Schreiber hatte Prügel einstecken müssen, weil er einzugreifen versucht hatte.
Das war gestern gewesen.
An diesem Morgen hatte Arlen seinen schmächtigen Körper zu einer ungemütlich frühen Stunde aus dem Bett heben müssen, als die Sonne gerade eben erst über den Horizont zu klimmen begann. Eine Abordnung erwartete ihn im Sprechzimmer der Burg. Es waren ein Kaufmann, ein Bauer und ein Schiffseigner. Der Graf zog ein weißes Seidenhemd, schlichte dunkelblaue Wollhosen und einen schwarzen, dreiviertellangen Mantel an. Die silbernen Ringe steckte er sich auf drei lange, knochige Finger jeder Hand, und die schwere, ehrfurchtgebietende Goldkette, die von den jeweiligen Herrschern an ihre Nachfolger vererbt wurde, legte er sich um den Hals.
Er trank seinen Tee aus, vervollständigte seine Garderobe mit weißen Socken und einfachen schwarzen, kniehohen Stiefeln mit Doppelschnallen und verließ sein Schlafgemach. Dann lief er mit langen, federnden Schritten rasch den Flur und die Treppe hinunter. Es versprach eine schwierige Besprechung zu werden.
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