Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
schwiegen. Denser kippte den Tee hinunter, obwohl er angesichts der sirupartigen Konsistenz lieber darauf verzichtet hätte. Ilkar lächelte dazu, wenngleich etwas gezwungen. Denser schaute wieder zum Himmel hinauf. Die Sterne waren nicht zu sehen, nur dunkelgraue, schwere Wolken. Der Wind wehte eiskalt. Trotz der schützenden Bäume versprach es eine kalte Nacht zu werden. Der Unbekannte war offenbar entschlossen, das Feuer in Gang zu halten, und schätzte die lodernden Flammen anscheinend nicht als Risiko ein.
»Wer aus Greythorne kommt und uns etwas antun will, der findet uns so oder so«, sagte er. »Und wer aus Arlen kommt, der ist noch zu weit entfernt, um uns heute Nacht zu erwischen.«
Zu weit entfernt. Die Worte gingen Denser nicht aus dem Sinn.
Sie waren zwei Tagesritte von Erienne entfernt, und das waren anderthalb zu viel. Er war wütend, weil er sie nicht erreichen konnte, und frustriert, dass sie seine Warnung nicht hören konnte, und er hatte Angst, was sie in Arlen vorfinden mochten, wenn die Kontaktaufnahme auch in der Morgendämmerung misslang.
Der verdammte Hirad. Warum musste er sich auch so verplappern. Trotz der Zuversicht des Barbaren kochte Denser innerlich. Seine Frau und seine Tochter waren in Gefahr. Hirad schien das zu vergessen, und er hatte offenbar immer noch nicht verstanden, wie dringend Dordover sie zu schnappen versuchte.
Der Wind rüttelte an den Zweigen und trieb Laub über den Boden. Der Regen setzte langsam ein, hin und wieder traf ein Tropfen sein Gesicht. Staub wirbelte hoch, die
Flammen des Lagerfeuers legten sich zur Seite und bekamen einen blauen Saum.
Da stimmte etwas nicht. Denser war kein Waldbewohner, doch er war ein feinfühliger Magier. Dies hier war äußerst beunruhigend. Auf einmal veränderte sich sogar der Geschmack der Luft, die sie atmeten. So kam es ihm jedenfalls vor. Vielleicht wäre es besser, wenn die Dordovaner Lyanna zuerst fanden. Dann gäbe es wenigstens …
Er schob den Gedanken beiseite und schämte sich dafür, dass er überhaupt aufgekommen war. Doch der rationale Teil seines Verstandes musste einräumen, dass dies eine denkbare Lösung war, um die Verwüstungen zu beheben, unter denen Balaia zu leiden hatte. Entsetzlich, aber trotzdem eine Lösung.
Hirad kam zum Feuer zurück und setzte sich. Neben sich warf er eine Ladung Blätter und Wurzeln auf den Boden.
»Es gibt hier nicht viele wilde Tiere«, sagte er. »Ich habe Fallen für Kaninchen gestellt, aber es kann sein, dass wir heute Abend nicht viel erwischen.«
Ilkar kicherte. »Du fängst aber früh an mit deinen Ausreden, Hirad.«
»Du bist heute witziger als sonst, Ilkar«, gab Hirad zurück. »Aber das ist ja nicht so schwierig.«
»Also«, sagte der Unbekannte, und der entspannte Moment war dahin. »Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass Erienne ahnungslos den Dordovanern in die Hände fällt.«
»Dann ist die Kommunion nicht besser verlaufen als die vorherigen?« Hirad sah Denser an, der den Kopf schüttelte, ohne Hirads Blick zu erwidern. »Vielleicht morgen Früh.«
»Vielleicht«, sagte Denser.
»Aber im schlimmsten Fall wird Erienne gefangen. Wie geht es dann weiter?«
»Die Dordovaner wollen vor allem Lyanna bekommen, und das bedeutet, dass sie zusammen mit Erienne wieder nach Ornouth fahren müssen«, sagte Ilkar. »Eigentlich ist es ganz einfach.«
»Das ist richtig«, stimmte der Unbekannte zu. »Es gibt allerdings einige unbekannte Größen.«
»Gibt es die nicht immer?«, knurrte Hirad.
Ilkar tätschelte sein Knie. »Sonst würde uns ja auch was fehlen, oder?«
»Allerdings.« Der Unbekannte ritzte mit einem Zweig eine Markierung in den Boden. »Erstens: Wir wissen nicht, ob die dordovanischen Kräfte stark genug sind, um das Schiff zu übernehmen. Selbst wenn sie es schaffen, brauchen sie zwei Tage, vielleicht sogar länger, um das Schiff neu auszurüsten. Es kommt darauf an, wie widerspenstig Erienne und die Gilde sich zeigen.
Zweitens: Es ist denkbar, dass die Dordovaner das Schiff zwar aufhalten, aber nicht wieder mit ihm in See stechen können. Wir haben Darrick in Greythorne getroffen. Damit dürfte klar sein, dass sie auf Verstärkung warten und noch nicht so stark sind, wie sie gern wären, um die Überfahrt zu wagen. Wir müssen auch annehmen, dass Dordover und Lystern gemeinsame Sache machen. Damit wissen wir aber immer noch nicht, wie viele Leute jetzt schon in Arlen sind.
Drittens: Die Gilde könnte dafür sorgen, dass das Schiff sofort
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