Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
vor der Stadt geschehen ist. Das Problem ist aber, dass die Leute dort vermutlich zur dordovanischen Kavallerie gehören, und die werden nicht gerade erbaut sein, uns hier zu treffen.«
»Das ist egal«, wandte Denser ein. »Erienne ist auf dem Schiff, und wir müssen sie da herunterholen.«
»Das sagst du am besten dem Mann, dessen Kavallerie es umstellt hat.«
»Schenk dir das, Unbekannter«, fauchte Denser. »Wir brauchen dazu keine Muskeln, sondern das hier.« Er tippte sich an die Schläfe. »Ein paar gut gezielte Sprüche, damit sie in Panik geraten. Dann fliegen Ilkar und ich hinüber, schnappen uns Erienne und verschwinden im Schutz des Rauchs und der Dunkelheit.«
Der Unbekannte drehte sich rum und sah Denser scharf an. »Das ist der Grund, weshalb ich die Pläne mache. Was du da vorschlägst, ist Selbstmord. Glaubst du wirklich, die Schwarzen Schwingen wären nicht auf so etwas vorbereitet? Bei den Göttern, von euch beiden abgesehen stehen wahrscheinlich sechzig Magier auf der Mole herum. Du weißt weder, wo Erienne festgehalten wird, noch weißt du, wie stark der Gegner ist. Wir können es uns nicht erlauben, irgendetwas in Gang zu bringen, bei dem sie verletzt werden könnte.«
»Sie verletzen sie jetzt schon.«
»Nichts, was sie umbringen könnte, meine ich. Wenn wir angreifen, dann muss es völlig überraschend kommen. Wir wissen aber noch nicht genug. Deshalb will ich mit Darrick reden. Hör mal, Denser, ich verstehe deine Verzweiflung, und wir alle wollen Erienne da so schnell wie möglich herausholen. Aber wir können uns keine Dummheiten erlauben. Wenn du dir jetzt vielleicht einen Weg überlegen könntest, wie wir mit Darrick reden können, ohne …«
»Nicht nötig«, unterbrach Ilkar. »Er kommt hierher. Allein.«
Sogar Thraun hörte auf, im Kreis zu laufen, und starrte hinüber.
24
Ren’erei hatte sich hinter einem erhöhten Holzsteg versteckt, als die Reiter vorbeidonnerten. Sie hatte heftig zitternd zugeschaut, wie ein kurzer Wortwechsel mit Selik dazu führte, dass die Reiter sich offenbar zu einer Verteidigungsformation aufbauten. Die Reiter waren keine Schwarzen Schwingen, sondern gehörten offensichtlich zu einem Kolleg. Das spielte im Grunde keine große Rolle, vergrößerte aber ihre Verwirrung. Sie richtete sich wieder auf und rannte gebückt durch den Hafen, bis sie hinter dem Fischmarkt außer Sicht war.
Leise schlich sie an der Mauer entlang. Als sie einigen Müllsäcken ausweichen wollte, sah sie auf einmal weißes Fleisch. Sie blieb stehen und bückte sich. Der Mann war tot und lag mit dem Gesicht nach unten in der stinkenden Brühe voller Fischabfälle, die durch die Gosse floss. Es war kein Ort, an dem man liegen sollte, weder tot noch lebendig.
Ren’erei konnte den Mann nicht liegen lassen. Sie drehte ihn herum und wollte ihn unter den Armen packen.
»Oh, nein!«, keuchte sie. Es war Donetsk. Entsetzt schleppte und zerrte sie den schweren Leichnam aus dem Dreck heraus. Die Stahlkappen seiner Schuhe kratzten auf dem Pflaster. Sie schleifte ihn bis zur Kiesböschung, hinter der sich der Fischereihafen erstreckte. Er sollte am kommenden Morgen wenigstens einigermaßen sauber gefunden werden.
Als sie seinen Mantel reinigte, sah sie die Stichwunde in der Brust. Weder im Gesicht noch am Hals oder an den Händen war er verletzt. Dies bedeutete, dass er nicht auf den Angriff vorbereitet gewesen war. Es hatte keinen Kampf gegeben. Ren’erei legte zwei Finger auf die Wunde, sprach ein kurzes Gebet und bat für ihn um Frieden im nächsten Leben. Eine unbedeutende Geste, aber der Mann verdiente ein wenig Ehrerbietung, während sein Körper kalt und steif wurde.
Weitere Berittene rückten an. Der Lärm näherte sich rasch von Osten, und Ren’erei kauerte sich dicht an Donetsks Körper, um unbemerkt zu beobachten. Die Hufschläge, das Klirren von Metall und die Männerstimmen hallten laut zwischen den Gebäuden. Im schwachen Fackelschein wurden ihre Schatten riesig, als sie sich näherten. Ren’erei erkannte die Abzeichen des Kollegs von Dordover, als die Kavallerie vorbeigaloppierte und vor der Meerulme anhielt. Sie konnte aber nicht sagen, ob es eine freundliche Begegnung oder ein Angriff war, und sie hatte keine Zeit, sich Klarheit zu verschaffen.
Der kalte Wind hatte sie inzwischen fast getrocknet, doch jetzt begann es zu regnen. Sie blickte zum bewölkten Himmel hinauf. Schwere Wolken zogen vorbei, gelegentlich waren tief in ihnen Blitze zu sehen, die andeuteten,
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