Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
zogen sich zurück und kümmerten sich um ihre Verwundeten oder beobachteten besorgt die Protektoren, die als Einzige noch willens und bereit schienen, den Kampf fortzusetzen.
Hirad atmete tief ein. Denser weinte und hielt Erienne in den Armen. Er hatte sich mit ihr auf einen Stuhl gesetzt und vergaß alles andere um sich her. Der Barbar
wandte sich an Darrick, der Vuldaroq das Schwert an den Hals hielt.
»Danke«, quetschte er hervor, auch wenn er das Gefühl hatte, völlig versagt zu haben.
Darrick zuckte mit den Achseln. Draußen im Esszimmer standen die Dordovaner schweigend und verwirrt beisammen. Ren und Aronaar hielten sie von der Küchentür aus in Schach.
»Das spielt doch kaum noch eine Rolle«, sagte der General.
Hirad schüttelte den Kopf. Er betrachtete die reglos liegende Lyanna und die schreckliche, blutige Masse, die einmal Ephemere gewesen war.
Neben ihr saßen Myriell und Cleress mit geschlossenen Augen, je eine Hand auf die Hände ihrer toten Schwester gelegt.
Vuldaroq räusperte sich. »Wenn Ihr so nett wärt, das hier wegzunehmen?« Er deutete auf Darricks Schwertspitze. »Aus offensichtlichen Gründen stelle ich keine Gefahr mehr dar.«
»Hirad?«, fragte Darrick.
»Meinetwegen«, entgegnete der Barbar. »Umbringen können wir ihn nicht, also können wir ihn auch laufen lassen.« Darrick steckte das Schwert in die Scheide, und Vuldaroq entspannte sich.
Hirad sah den Unbekannten an, der seinerseits das tote Kind betrachtete.
»Unbekannter?«
»Alles umsonst«, sagte er. »Das arme Würmchen. Sie hatte von Anfang an keine Chance.«
»Aber versuchen mussten wir es trotzdem«, gab Hirad zurück.
»Sie war von Anfang an dem Untergang geweiht,
oder?« Der Unbekannte deutete auf die Al-Drechar. »Und die da haben es gewusst.«
»Was jetzt?«, wollte Hirad wissen.
Der Unbekannte schaute mit feuchten Augen auf. »Zuerst einmal sollten die Dordovaner ihre Verletzten abtransportieren und die Toten begraben und dann verschwinden. Die Schlacht ist vorbei. Was dann passiert – ich habe keine Ahnung.«
Als sich am Rande von Hirads Gesichtsfeld etwas bewegte, fuhr er herum. Ein Mann, falls man ihn so nennen wollte, drängte sich durch die Dordovaner, die sich vor der Küchentür versammelt hatten. Er hatte eine Hand, unter der Blut hervorquoll, an den Kopf gepresst. Er ging schwankend und blutete auch aus einer schlecht verbundenen Beinwunde. Sein Blick irrte umher.
»Selik«, knirschte Hirad. Er hob das Schwert. »Der darf nicht lebend entkommen.« Er ging hinüber und hob das Schwert. »Verteidige dich. Ich will keinen unbewaffneten Mann niederstrecken.«
Selik zog das Schwert aus der Scheide und nickte den Dordovanern zu, dass sie Platz machen sollten.
»Mit dir nehme ich es jederzeit auf.«
Doch der Unbekannte trat zwischen sie und wandte sich an seinen Freund.
»Nein, Hirad«, sagte er. »Der Kampf ist vorbei. Es wäre Mord.«
Hirad sah ihn an, sein Blut kochte und drängte ihn, den Anführer der Schwarzen Schwingen zu töten, doch der Unbekannte hielt seinem Blick stand und sprach leise weiter.
»Hirad, wir haben einen Kodex.«
»Ja«, sagte der Barbar. Er steckte das Schwert weg und deutete auf Selik. »Eines Tages wird der Unbekannte
nicht zur Stelle sein, und dann werde ich dich erwischen. Denke jeden Tag daran, wenn du aufwachst.«
Selik spuckte auf den Boden. »Mit Vergnügen. Es wird der Tag deines Todes sein, Coldheart. Aber jetzt, Vuldaroq – wann werden wir diese verdammte Insel wieder verlassen?«
»Komm mit, Hirad«, sagte der Unbekannte.
Es war spät am Nachmittag, und vieles hatte sich verändert. Die Dordovaner waren auf ihre Schiffe zurückgekehrt und hatten die Verwundeten und Selik mitgenommen. Ob der Anführer der Schwarzen Schwingen es bis Balaia schaffen würde, war fraglich, aber Hirad hoffte, dass er dort ankäme. Er wollte sich die Rache nicht nehmen lassen.
Ilkar wachte wieder über Thraun, dessen Verfassung immer noch ein Rätsel war. Sie mussten ihn bald wecken und herausfinden, ob in dem Zwitterkörper ein Mann oder ein Wolf steckte. Denser war mit Erienne ins warme Sonnenlicht hinausgegangen und hatte sie in der Nähe der alten Gräber ins Gras gelegt, wo sie unter einer Warmen Heilung schlief. Der Spruch konnte ihr die seelischen Qualen nicht nehmen, verschaffte aber wenigstens ihrem Körper ein wenig Ruhe nach dem Schock. Darrick wanderte allein umher, dachte zweifellos über die Fehler seiner Taktik nach und fragte sich, ob er etwas
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