Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
zulassen, dass sie noch mehr herausfinden, als sie sowieso schon wissen.«
»Wohin locken wir sie dann? In den Wald?« Hirad nickte zum zerstörten Waldgebiet hin. Sie hatten es am Südrand umgangen und auf dem Weg nach Greythorne die Straße ignoriert, die nach Nordosten führte und die Dörfer miteinander verband.
»Ja. Zum Felsen.«
In welchem Zustand der Wald auch sein mochte, der Felsen in seinem Zentrum blieb gewiss stehen, bis sich die Erde selbst auftat und ihn verschlang.
»Vorausgesetzt, wir können sie überzeugen, uns dort hinein zu folgen.«
Der Dornenwald war ein Chaos, ein Durcheinander sterbender Pflanzen und umgeknickter Bäume. Die Vögel waren zurückgekehrt, man konnte ihre Lieder im Wind hören, der wieder auffrischte. Wolken ballten sich am grauen Himmel zusammen.
»Ich glaube, ihnen bleibt nichts anderes übrig«, sagte der Unbekannte. »Sie können nicht einfach die Wege der Jäger beobachten, weil es keine mehr gibt. Wir können jederzeit hinein und wieder heraus. Sie können auch nicht einfach nach Greythorne weiterreiten und uns dort erwarten, weil sie nicht wissen, ob wir nicht doch ein anderes Ziel haben.«
»Werden sie nicht annehmen, unsere Entscheidung, in den Wald zu gehen, bedeutet, dass wir sie gesehen haben?« , fragte Ilkar.
Der Unbekannte zuckte mit den Achseln. »Möglich.
Aber das macht nichts. Vielleicht werden sie dadurch vorsichtiger, aber dies ändert nichts an dem, was sie vorhaben. Und falls wir sie dadurch sogar abschütteln, umso besser.«
»Hast du denn irgendwelche Ideen, wie wir in den Wald hineinkommen?«, fragte Hirad lächelnd den Unbekannten. Der blies seine Wangen auf. Die Gewalt des Sturms hatte fast alle Bäume von einer Höhe zwischen acht und einem Dutzend Fuß abgebrochen. Auf dem Waldboden lag eine hohe Schicht Kleinholz, und wo die Bäume dichter standen, war es sogar zu riesigen Verwehungen aufgetürmt. Weiter drinnen, am Felsen, sah es zweifellos ähnlich aus. Es gab keinen erkennbaren Zugang, sodass der Rabe sich seinen Weg selbst suchen oder durch dichtere Hindernisse sogar freihacken musste.
»Wir werden schon einen Weg finden. Kommt, die Pause ist vorbei. Jetzt oder nie.«
Sie saßen auf und trabten gemächlich zum Waldrand, der jetzt, da überall Trümmer herumlagen, kaum noch auszumachen war. Ein Stück weiter drinnen war das Zerstörungswerk noch deutlicher zu erkennen. Stellenweise war der nackte Waldboden freigelegt, das alte Laub und der Staub von vielen Jahren waren verschwunden. Der lockere Mutterboden und die Pflanzen, die Blumen und Büsche, alles weggeweht. Kein Baum, der nicht beschädigt worden wäre. Viele abgebrochene Äste waren in halber Höhe hängen geblieben und bildeten über ihren Köpfen ein verfilztes Dach, hier und dort hatten sich die Äste auch am Boden zu undurchdringlichen Hindernissen aufgetürmt und zwangen sie immer wieder, die Richtung zu wechseln. Es war fast, als wünschten die Bäume nicht, dass die Besucher den Tod des Dornenwaldes sahen.
Drei Stunden lang sorgte der Unbekannte dafür, dass sie eine deutliche Spur hinterließen. Er pflügte mit seinem Pferd geradezu durch den Dornenwald. Wo die Hindernisse zu dicht waren, um niedergetrampelt zu werden, stieg er ab und benutzte sein Schwert mit einer Hand und hackte sich durch Blätter und Äste. Ilkar und Hirad folgten ihm schweigend, bis sie den Fels erreichten.
»Reinige unbedingt dein Schwert. Der Saft der Bäume lässt es sehr schnell rosten«, empfahl Hirad, als er vom Pferd stieg. Der Unbekannte sah ihn an, sein Gesicht verriet nicht, was er dachte.
»Wirklich? Vielen Dank, Hirad. Es wäre ja wirklich dumm gewesen, mein Schwert zu verlieren, nur weil mir nicht bekannt war, dass der Saft es rosten lässt.«
Ilkar kicherte.
»Ich meine ja nur«, murmelte Hirad.
»Ich bin auch selbst schon ein paar Jahre in diesem Geschäft«, entgegnete der Unbekannte. »Und mach’s dir nicht zu gemütlich hier. Du räumst zwanzig Schritt weit in diese Richtung einen Weg frei.« Er deutete mit dem Schwert über die Lichtung vor dem Felsen. »Ilkar zieht sich zurück und passt auf, ob er sie hören kann, und ich suche den besten Platz für die Begegnung aus. Alles klar?«
Hirad nickte. »Was ist mit den Pferden?«
»Führe sie den Weg hinunter und binde sie fest, wenn du fertig bist. Ich würde dir helfen, aber ich sehe kleine braune Flecken auf meiner Klinge. Hast du eine Ahnung, was das wohl bedeuten könnte?«
Hirad zog sein Schwert aus der Scheide.
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