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Der Cellist von Sarajevo

Titel: Der Cellist von Sarajevo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Galloway
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wegen der Menschen im Tal. Wenn sie sich damit abfinden, mit dem Tod zu leben, sich so zu verhalten, wie es die Männer auf den Bergen wollen, dann wird Sarajevo sterben.
    Dragan nimmt Eminas Mantel, breitet ihn über den Toten und gibt ihm seinen Hut zurück.

Vier

Kenan
    Ein neuer Tag ist angebrochen. Licht sickert in die Wohnung und fällt auf Kenan Šimunović, der in der Küche nach der Wasserflasche greift, die den letzten Viertelliter Wasser für seine Familie enthält. Vier Tage ist es her, seit er zum letzten Mal in der Brauerei Wasser holen war. Er zieht immer alle vier Tage los, nur wenn es regnet, vergehen manchmal auch fünf. Der heutige Marsch wird anders sein, das weiß er. Heute spielt der Cellist zum zweiundzwanzigsten und letzten Mal.
    Die Luft ist kalt an diesem Morgen. Kenan fragt sich, ob das Wetter umschlägt. Hoffentlich haben sie genügend warme Kleidung für den Winter. An Brennholz wird man auch nur schwer kommen. Er weiß nicht, woher man es nehmen will, wie er welches beschaffen soll. Aber irgendwie wird er schon eine Möglichkeit finden.
    Kenan schiebt den Küchenstuhl zurück und nimmt eine leere Wasserflasche in die Hand. Er überprüft sie Zentimeter um Zentimeter, sucht nach Sprüngen und Löchern. Danach inspiziert er die fünf anderen Flaschen. In der vierten entdeckt er einen Sprung. Er geht noch nicht ganz durch, aber das wird noch kommen, und es ist schlecht abzuschätzen, wann es so weit sein wird. Er beschließt, sie gegen eine der Reserveflaschen auszutauschen. Lieber kein Risiko eingehen.
    Er hört, wie sich im Wohnzimmer, wo seine Frau Amila und die Kinder schlafen, jemand regt. Hoffentlich hat er sie nicht geweckt. Es ist noch früh am Tag. Sie müssen noch nicht aufstehen. Sie sollten lieber weiterschlafen, sich ausruhen. Wer weiß, ob sie die nächste Nacht nicht im Schutzraum zubringen müssen, wo man so gut wie keine Ruhe findet.
    So leise wie möglich nimmt er den letzten Rest Wasser und begibt sich ins Badezimmer. Aus alter Gewohnheit dreht er den Lichtschalter um, aber nichts tut sich. Er zündet einen Kerzenstummel an, der neben dem Spiegel steht, und rasiert sich. Eines Tages, denkt er, werde ich mich wieder mit heißem Wasser und einer scharfen Klinge rasieren. Irgendwann wird es kleine Kostbarkeiten wie diese wieder im Überfluss geben, und er wird sie jeden Tag aufs Neue genießen. Bis dahin allerdings muss er sich im Dunkeln und mit kaltem Wasser rasieren. Er ist es gewohnt, es stört ihn nicht mehr.
    Er wäscht sich mit den letzten Wassertropfen das Gesicht und beugt sich vor, um die Kerze auszublasen. Als er Luft holt, hört er ein vertrautes Knistern, dann geht die Glühbirne an der Decke an. Es dauert einen Moment, bis sich seine Augen an das grelle gelbe Licht gewöhnt haben. Kenan lächelt. Seit drei Wochen haben sie darauf gewartet, dass es wieder Strom gibt.
    Er bläst die Kerze aus und geht zu dem Wandschrank, in dem ein kleines Ladegerät an eine Autobatterie angeschlossen ist. Wenn es einen Tag lang Strom gibt, kann er eine Woche lang Radio hören. Bleibt er über Nacht an, haben sie jeden Abend ein paar Stunden lang Licht. Er überprüft das Ladegerät, sieht, dass das grüne Lämpchen aufleuchtet. Die Batterie lädt sich auf.
    Amila kommt aus dem Wohnzimmer. Er lächelt sie an und deutet auf das Licht an der Decke. Sie grinst, hebt triumphierend die Hände. Wenn die Kinder nicht schliefen, würde Kenan eine CD auflegen, irgendetwas Schnelles und Fröhliches, und sie würden laut mitsingen und tanzen. Er macht es nicht, aber schon das Wissen darum, dass es möglich wäre, genügt ihm.
    »Meinst du, er bleibt länger an?«, fragt Amila, als er sich aufrichtet und in die Küche geht.
    Er nickt. »Schon möglich. Man kann nie wissen.«
    Kenan bindet seine Flaschen zusammen, drei auf jeder Seite.
    »Sei vorsichtig«, sagt sie, und er lächelt.
    »Natürlich. Bin ich doch immer.«
    Das Licht flackert, geht aber nicht aus. Amila verdreht die Augen. »Bring eine große Schachtel Schokolade mit, wenn du schon unterwegs bist«, sagt sie, »und zwei Dutzend Eier.«
    »Ja, selbstverständlich. Das sind aber viele Eier.«
    »Ich will einen Kuchen backen. Einen großen Kuchen.«
    »Aha. Wenn das so ist, besorge ich auch noch einen Weinbrand.« Er beugt sich vor und küsst sie.
    »Gute Idee. Nichts passt besser zu Kuchen als ein guter Weinbrand.« Sie legt ihm die Hände ums Kreuz, lässt den Kopf an seine Schulter sinken. »Ich bin müde«, sagt sie fast

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