Der Chancellor
getrieben ist? Zeigt sich vielleicht, wenn es Tag wird, Land?
Ich sagte, daß der Chancellor, nachdem er wiederholt aufstieß, unbeweglich sitzen blieb. Bald nachher belehrte Robert Kurtis ein Geräusch von rasselnden Ketten, daß man die Anker herablasse.
»Gut! Gut! sagte er, der Lieutenant und der Bootsmann lassen die Anker fallen; hoffentlich werden sie fassen!«
Dann sehe ich Robert Kurtis auf der Schanzkleidung hinlaufen, bis ihm die Flammen jedes Weitergehen verwehren. Er gleitet auf die Rüsten am Steuerbord, nach welchem das Schiff geneigt liegt, und hält sich dort einige Minuten, trotzdem das Meer ihn mit Wellen überspült. Ich sehe, wie er aufmerksam horcht. Man sollte meinen, er höre ein eigenthümliches Geräusch neben dem Geheul des Sturmes.Nach einer Viertelstunde kehrt Robert Kurtis nach dem Oberdeck zurück.
»Es dringt Wasser ein, sagt er zu mir, und dieses Wasser – Gott stehe uns bei – wird vielleicht die Feuersbrunst bewältigen!
– Aber nachher? sage ich.
– Mr. Kazallon, antwortet er mir, »nachher« wie Gott will. Wir denken jetzt nur an das Nächste!«
Das Nächstliegende wäre nun wohl gewesen, sich mittels der Pumpen vom Stande des Wassers zu überzeugen, aber diese kann Niemand mitten in dem Flammenmeer erreichen. Wahrscheinlich gestattet ein Leck im Grunde des Fahrzeuges dem Wasser, in vollen Strömen einzudringen, denn es will mir scheinen, als vermindere sich das Feuer schon ein wenig. Man vernimmt jetzt ein betäubendes Gezisch, den Beweis, daß beide Elemente mit einander kämpfen. Unzweifelhaft ist der Untertheil des Feuerherdes erreicht und das erste Lager der Baumwollenballen schon überschwemmt. Nun wohl, möge dieses Wasser das Feuer löschen, dann werden wir auch mit ihm fertig zu werden wissen! Vielleicht ist es minder zu fürchten als das Feuer! Das Wasser ist ja des Seemanns Element, das er zu besiegen gewohnt ist!
Die nachfolgenden drei Stunden dieser Schreckensnacht verbringen wir in fürchterlicher Angst. Wo sind wir? Eins nur steht fest, daß jetzt Ebbe einzutreten scheint, und die Wuth der Wellen sich zu mäßigen beginnt. Der Chancellor muß eine Stunde nach der Fluth aufgestoßen sein, doch ist das ohne Rechnung und Beobachtung nicht möglich, sicher zu bestimmen. Wenn es so ist, darf man hoffen, sichnach Löschung des Feuers bei steigender Fluth wieder flott zu machen.
Gegen vier ein halb Uhr Morgens vermindert sich die Flamme, welche einen Vorhang zwischen dem Vorder- und dem Hintertheile des Schiffes bildete, nach und nach, und wir erblicken eine geschwärzte Gruppe Menschen. Das ist die Mannschaft, die sich auf dem engen Vorderkastell zusammen gedrängt hat. Bald wird die Verbindung zwischen den beiden Enden des Fahrzeuges wieder hergestellt und kommen der Lieutenant und der Bootsmann zu uns nach dem Oberdeck, indem sie auf dem Barkholz hingehen, da es noch unmöglich ist, den Fuß auf das Verdeck zu setzen.
Kapitän Kurtis, der Lieutenant und der Hochbootsmann berathen in meiner Gegenwart und stimmen in dem einen Punkte völlig überein, daß vor Anbruch des Tages Nichts zu unternehmen sei. Wenn das Land nicht entfernt, das Meer einigermaßen fahrbar ist, wird man die Küste, und wäre es auf einem Flosse, zu erreichen suchen. Wenn aber kein Land in Sicht, wenn der Chancellor auf einem ganz isolirten Riffe gestrandet wäre, wird man versuchen, ihn wieder flott zu machen, um dann die nächstgelegene Küste anzulaufen.
»Jedoch, sagt Robert Kurtis, dessen Meinung auch von den beiden Anderen getheilt wird, es ist sehr schwierig, zu beurtheilen, wo wir uns befinden. Der Nordwestwind muß den Chancellor weit nach Süden verschlagen haben. Ich habe schon längere Zeit keine Messung der Sonnenhöhe vornehmen können, und da mir in diesem Theile des Atlantischen Oceans keine Klippen bekannt sind, so ist esnicht unwahrscheinlich, daß wir an irgend einem Punkte Amerikas strandeten.
– Wir befinden uns aber immer, warf ich ein, vor einer drohenden Explosion. Sollten wir den Chancellor nicht verlassen können und uns flüchten?
– Auf dieses Riff etwa? antwortet Robert Kurtis. Welche Gestalt hat es? Wird es nicht zur Zeit der Fluth überschwemmt? Können wir es bei dieser Dunkelheit überhaupt erkennen? Lassen Sie es erst hell werden, dann wollen wir davon reden.«
Ich theile diese Worte Robert Kurtis' sofort den übrigen Passagieren mit. Sie sind doch nicht besonders beruhigender Natur, aber Keiner hat ein Einsehen für die neue Gefahr, welche uns
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