Der Chinese
gewollt hätte. Dagegen hatte er einen Jungen getötet, der in diesem verfluchten Dorf nur zu Besuch war. Der Junge kann der Schlüssel sein, dachte sie. Er gehört nicht ins Dorf. Dennoch stirbt er. Zwei Personen, die seit zwanzig Jahren hier leben, und eine senile Frau bleiben verschont.
Daraus ergab sich eine Frage, auf die sie unbedingt eine Antwort haben musste.
Julias Haus war nicht abgeschlossen. Sie ging hinein und las das Papier, das Erik Hudden auf dem Küchentisch gefunden hatte. Die Antwort, die sie auf ihre Frage erhielt, ließ ihr Herz sogleich schneller schlagen. Sie setzte sich und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren.
Das Ergebnis war unwahrscheinlich, konnte aber trotzdem stimmen. Sie wählte Eriks Handynummer. Er meldete sich sofort.
»Ich sitze in Julias Küche. Die Frau im Bademantel, die heute Morgen auf der Straße stand. Kommst du mal?«
»Ich komme.«
Erik Hudden setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Er sprang sofort wieder auf und untersuchte den Stuhlsitz. Er roch daran und nahm sich einen anderen Stuhl. Sie sah ihn fragend an. »Urin«, sagte er. »Die alte Dame muss inkontinent sein. Was wolltest du sagen?«
»Ich möchte, dass du dir eine Überlegung anhörst. Sie wirkt unwahrscheinlich, aber irgendwie auch logisch.«
»Soll ich mitschreiben?«
»Nur zuhören. Wir schalten unsere Telefone aus, damit wir nicht gestört werden.« Sie legten die Handys auf den Tisch. Als gäben wir unsere Waffen ab, dachte Vivi Sundberg. »Ich will versuchen, etwas zusammenzufassen, was man eigentlich gar nicht zusammenfassen kann. Dennoch ahne ich eine Art seltsamer Logik in dem, was heute Nacht hier passiert ist. Ich möchte, dass du es dir anhörst und mir dann sagst, ob ich völlig falsch gedacht habe. Oder wo der Fehler liegt.«
Die Haustür ging auf. Ein Kriminaltechniker trat in die Küche. »Wo sind hier die Toten?«
»Hier im Haus sind keine.«
Der Techniker verschwand wieder.
»Es hat mit den Namen zu tun«, sagte sie. »Wir wissen noch immer nicht, wie der Junge heißt. Aber wenn ich mich nicht irre, ist er mit der Familie Andersson verwandt, die in dem Haus wohnte und starb, in dem wir ihn gefunden haben. Ein Schlüssel zu all dem, was hier heute Nacht passiert ist, sind die Namen. Die Familien. Hier im Dorf scheint man Andersson, Andren oder Magnusson geheißen zu haben. Aber Julia, die in diesem Haus wohnt, heißt Holmgren. Das steht auf dem Papier des Pflegedienstes. Julia Holmgren. Sie lebt. Außerdem haben wir noch Tom und Ninni Hansson. Sie leben auch, und sie haben einen anderen Namen. Daraus könnte man eine Schlussfolgerung ziehen.«
»Dass der Täter aus irgendeinem Grund auf Menschen mit dem gleichen Namen aus war.«
»Geh noch einen Schritt weiter! Dies ist ein kleines Dorf. Die Fluktuation war nicht hoch. Zwischen diesen Familien hat es mit großer Wahrscheinlichkeit viele Eheschließungen gegeben. Ich meine nicht, dass es sich um Inzest gehandelt hat. Nur dass es Grund gibt zu glauben, dass es sich nicht um drei Familien handelt, sondern vielleicht nur um zwei. Oder sogar nur um eine. Das könnte erklären, warum Julia Holmgren und die beiden Hanssons noch leben.«
Vivi Sundberg wartete auf Erik Huddens Reaktion. Sie hatte ihn nie als besonders intelligent eingeschätzt, aber sie hatte Respekt vor seiner Fähigkeit, aufgrund seiner Intuition richtige Lösungen zu finden.
»Wenn das stimmt, bedeutet es, dass der Täter diese Menschen genau kannte. Wer tut das?« »Vielleicht ein Verwandter? Aber ebenso gut ein Wahnsinniger. «
»Ein wahnsinniger Verwandter? Warum macht er so etwas?«
»Das wissen wir nicht. Ich versuche nur zu verstehen, warum nicht alle im Dorf tot sind.«
»Wie erklärst du das abgeschlagene und weggeschleppte Bein?«
»Ich kann es nicht erklären. Aber ich brauche einen kleinen Baustein, mit dem ich anfangen kann. Meine unklare Überlegung und ein rotes Seidenband sind alles, was wir haben.«
»Ich hoffe, du weißt, was auf uns zukommt?«
»Dass wir von den Massenmedien überfallen werden?« Erik Hudden nickte.
»Darum muss Tobias sich kümmern.«
»Er wird dich vorschieben.«
»Dann schiebe ich dich vor.«
»Untersteh dich!«
Sie standen auf.
»Ich möchte, dass du in die Stadt fährst«, sagte sie. »Tobias wollte anfangen, Personal für die Suche nach den Angehörigen einzuteilen. Kümmere dich darum, dass es wirklich getan
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