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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wird. Und suche nach Verbindungen zwischen den drei Familien hier. Aber betrachte es zunächst nur als eine Sache zwischen uns.«
     
    Erik Hudden verließ das Haus. Vivi Sundberg ging zum Wasserhahn und füllte ein Glas mit Wasser. Sie fragte sich, was ihr Gedanke wert war. Im Augenblick jedenfalls genauso viel wie irgendetwas anderes.
     
    Um kurz vor sechs versammelten sich ein paar der Polizisten im Büro von Tobias Ludwig. Sie berieten, was auf der Pressekonferenz gesagt werden solle. Eine Liste mit den Namen der Toten sollte nicht ausgegeben werden. Aber die Anzahl der Opfer sollte genannt werden, und man würde zugeben, dass die Polizei bisher noch im Dunkeln tappte. Beobachtungen seitens der Allgemeinheit wären deshalb äußerst wertvoll.
     
    Tobias Ludwig würde die Pressekonferenz einleiten und dann an Vivi Sundberg übergeben.
     
    Bevor sie in den mit Journalisten überfüllten Konferenzraum ging, schloss sie sich auf einer Toilette ein. Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Ich wünschte, ich könnte aufwachen und dies alles wäre nicht passiert, dachte sie.
     
    Dann ging sie hinaus, schlug auf dem Gang zweimal mit der Faust hart gegen die Wand und betrat den bereits viel zu warmen Konferenzraum. Sie stieg auf das kleine Podium und setzte sich neben Tobias Ludwig.
     
    Er sah sie an. Sie nickte ihm zu, dass er anfangen könne.
    Ein Nachtfalter löste sich aus dem Dunkel und flatterte unruhig um die Arbeitslampe. Birgitta Roslin legte den Stift zur Seite und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, während sie die vergeblichen Versuche des Falters beobachtete, durch die Porzellanglocke einzudringen. Das Flattergeräusch der Flügel erinnerte sie an ein Geräusch aus der Kindheit, ohne dass sie genau sagen konnte, an welches.
     
    Wenn sie müde war, wurde ihr Erinnerungsvermögen immer besonders scharf, so auch jetzt. Wie im Schlaf konnten aus dem Nichts unerreichbare Erinnerungen aus ferner Vergangenheit aufsteigen.
     
    Wie der Nachtfalter.
     
    Sie schloss die Augen und massierte mit den Fingerspitzen ihre Schläfen. Es war ein paar Minuten nach Mitternacht. Zweimal hatte sie die Nachtwachen gehört, die auf dem Gerichtsgelände ihre Kontrollgänge machten. Sie liebte es, abends zu arbeiten, wenn das Haus leer war. Vor vielen Jahren, damals war sie noch Referendarin in Värnamo, war sie oft am Abend in den leeren Gerichtssaal gegangen, hatte ein paar Lampen angemacht, sich gesetzt und dem Schweigen gelauscht. Sie hatte sich den Gerichtssaal als eine Theaterbühne vorgestellt. Es gab Spuren in den Wänden, flüsternde Stimmen, die übrig geblieben waren von den Dramen, die sich bei vergangenen Prozessen abgespielt hatten. Hier waren Mörder, Gewalttäter, Diebe verurteilt worden. Und Männer in einer endlosen Reihe von trostlosen Prozessen hatten ihre Vaterschaft angefochten. Andere hatten ihre in Frage gestellte Ehre zurückgewonnen.
     
    Als Birgitta Roslin ihre Zulassung bei Gericht beantragt und ein Angebot bekommen hatte, in Värnamo Referendarin zu werden, hatte sie noch die Absicht gehabt, Staatsanwältin zu werden. Aber in ihrer Zeit als Referendarin war sie auf das Gebiet gewechselt, das ihr am meisten lag. Zum großen Teil beruhte dieser Wandel auf dem unauslöschlichen Eindruck, den der alte Amtsrichter Anker auf sie gemacht hatte. Er hatte jungen Männern, die mit durchsichtigen Lügen versuchten, eine Vaterschaft anzufechten, mit der gleichen Geduld zugehört wie hartgesottenen Gewalttätern, die keine ihrer brutalen Taten bereuten. Es war, als hätte der alte Richter ihr erst gezeigt, was das Rechtswesen ausmachte. Bei ihm hatte sie es erlebt, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Gerechtigkeit bedeutete Handlung. Als sie Värnamo verließ, hatte sie beschlossen, die Richterlaufbahn einzuschlagen. Sie stand auf und trat ans Fenster. Auf der Straße pinkelte ein Mann an eine Hauswand. Es hatte am Tag in Helsingborg geschneit, eine dünne Schicht Puderschnee wirbelte jetzt die Straße entlang. Während sie den Mann geistesabwesend betrachtete, arbeitete ihr Gehirn weiter an dem Urteil, das sie gerade abfasste. Sie hatte sich eine Frist bis zum folgenden Tag gesetzt. Dann musste es fertig sein.
     
    Der Mann auf der Straße unter ihr verschwand. Birgitta Roslin kehrte zum Schreibtisch zurück und griff nach ihrem Stift. Sie hatte mehrfach versucht, ihre Urteile am Computer zu formulieren, doch es gelang ihr nie. Es war, als liefen die Tasten ihren Gedanken davon. Sie kehrte stets zu

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