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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Memoiren zu schreiben, was viele führende Beamte und Politiker in China begreiflicherweise zu Tode ängstigte. Lai wusste viele Wahrheiten, und in Kanada, wo er sich jetzt befand, konnte man ihm nicht beikommen, um ihn zu zensieren.
     
    Aber Ya Ru dachte nicht an Flucht. Für ihn stand kein Flugzeug auf den Flugplätzen Pekings bereit.
     
    Noch ein anderer Gedanke ging ihm durch den Kopf. Ma Li, Hongs Freundin, hatte die Reise nach Afrika mitgemacht. Ya Ru wusste, dass sie lange Gespräche geführt hatten. Außerdem war Hong schon immer eine Briefeschreiberin gewesen. Vielleicht hatte Ma Li eine Botschaft von Hong bekommen? Die sie dann später an andere weitergegeben hatte, die ihrerseits den Sicherheitsdienst informiert hatten? Er wusste es nicht. Aber er würde es herausfinden.
     
    Drei Tage später, als einer der vielen winterlichen Sandstürme über Peking hinwegfegte, suchte Ya Ru das Büro Ma Lis in der Nähe des Parks des Sonnengottes, Ritan Gongyuan, auf. Ma Li arbeitete in einer Abteilung, in der ökonomische Analysen durchgeführt wurden, und ihre Stellung war nicht so hoch, dass sie ihm Probleme hätte machen können. Mit Hilfe ihres Personals hatte Frau Shen die Leute ausfindig gemacht, mit denen sie verkehrte. Es gab keine Verbindungen in das Führungszentrum des Staates und der Partei. Ma Li hatte zwei Kinder. Ihr jetziger Mann war ein unbedeutender Bürokrat. Nachdem ihr erster Mann während des Krieges gegen die Vietnamesen in den 1970er Jahren gestorben war, hatte es keine Einwände gegeben, als sie wieder geheiratet und noch ein Kind bekommen hatte. Beide Kinder lebten jetzt ihr eigenes Leben. Die ältere Tochter war Dozentin an einer Lehrerakademie, der Sohn arbeitete als Chirurg in einem Krankenhaus in Shanghai. Auch diese beiden hatten keine Kontakte und Beziehungen, die Ya Ru beunruhigt hätten. Dagegen hatte er sich genau gemerkt, dass Ma Li zwei Enkelkinder hatte, denen sie viel Zeit widmete.
     
    Frau Shen hatte mit Ma Li einen Termin für einen Besuch Ya Rus vereinbart. Worum es ging, hatte Frau Shen nicht gesagt, nur dass es dringend sei und wohl mit der afrikanischen Reise zu tun habe. Das wird sie beunruhigen, dachte Ya Ru, als er vom Rücksitz seines Wagens aus die Stadt betrachtete. Da er genügend Zeit hatte, machte der Chauffeur weisungsgemäß einen Umweg über die Baustellen, an denen Ya Ru beteiligt war. Vor allem ging es um Neubauten für die Olympischen Spiele. Ya Ru hatte außerdem einen großen Auftrag für den Abriss eines der Wohngebiete, die den Durchfahrtsstraßen zu den neuen Sportanlagen Platz machen mussten. Ya Ru rechnete mit Milliardengewinnen, selbst wenn er das Geld für die Bezahlung der Beamten und Politiker abzog, das sich jeden Monat auf Millionen belief.
     
    Ya Ru betrachtete die Stadt, die sich vor seinen Augen verwandelte. Es gab viele Proteste, weil die Leute meinten, Peking verliere zu viel von seiner Ursprünglichkeit. Ya Ru hatte die Journalisten, die für ihn arbeiteten, angewiesen, über das Verschwinden der Elendsviertel zu schreiben und darüber, dass die Investitionen später, wenn die Olympischen Spiele vorbei waren und China ein neues Ansehen in der Welt verschafft hätten, den einfachen Menschen zugutekommen würden. Ya Ru wäre lieber der unsichtbare Schöpfer im Hintergrund gewesen, aber einige Male hatte er der eitlen Verlockung nachgegeben, selbst in Fernsehshows aufzutreten, in denen die Verwandlung Pekings diskutiert wurde. Er hatte dann immer Dinge geltend zu machen gewusst, die mit "Wohltätigkeit und der Erhaltung bestimmter Parks oder Bauten in der Stadt zu tun hatten. Für die Analytiker der Massenmedien, die er für verschiedene Dienste bezahlte, war er eine Person mit gutem Ruf, obwohl er der Elite der reichsten Männer im Lande angehörte.
     
    Diesen Ruf gedachte er sich zu erhalten. Zu welchem Preis auch immer.
     
    Der Wagen hielt vor dem unansehnlichen Gebäude, in dem sich Ma Lis Arbeitsplatz befand. Sie stand auf der Treppe und empfing ihn.
     
    »Ma Li«, sagte Ya Ru. »Jetzt, da ich dich wiedersehe, ist mir, als läge unsere Reise nach Afrika, die so traurig endete, unendlich lange zurück.«
     
    »Ich denke jeden Tag an die liebe Hong«, sagte Ma Li. »Aber Afrika lasse ich in der Ferne entschwinden. Ich komme ohnehin nie wieder dorthin.«
     
    »Wie du weißt, schließen wir täglich neue Verträge mit vielen Ländern auf dem afrikanischen Kontinent. Es entstehen Brücken zwischen uns, die uns lange Zeit

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