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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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würde er nach Peking zurückkehren.
     
    Es hatte eine Zeit in seinem Leben gegeben, als er Flugplätze mit nahezu religiösem Gefühl betrachtete. Sie waren die Hafenanlagen der modernen Zeit. Damals war Ya Ru nie irgendwohin gereist, ohne ein Exemplar von Marco Polos Reisen bei sich zu haben. Der furchtlose Wille des Mannes, das Unbekannte zu erforschen, war ihm ein Vorbild gewesen. Jetzt empfand er das Reisen immer mehr als Qual, auch wenn er ein eigenes Flugzeug hatte und von Flugplänen und trostlosen Flugplätzen unabhängig war. Die Vorstellung, dass das Gehirn durch die schnellen Ortswechsel vitalisiert wurde, die rauschhafte Freude daran, Zeitzonen zu überwinden und im Extremfall früher an einem Ziel anzukommen, als man abgeflogen ist, dies alles stand im Widerspruch zu der sinnlosen Zeit, die man mit Warten vergeudete, sei es dem Warten darauf, endlich abzufliegen, sei es, am Ziel auf sein Gepäck zu warten. Die neonbeleuchteten Einkaufszentren der Flughäfen, die Rollbänder, die hallenden Flure, die immer kleiner werdenden Glaskäfige, in denen Raucher zusammengepfercht standen und einander Krebs und Gefäßkrankheiten beibrachten, waren keine Orte, an denen neue Gedanken gedacht, neue philosophische Debatten geführt werden konnten. Er dachte an die Zeit, als Menschen mit dem Zug oder mit Schiffen reisten. Damals waren Debatten und kluge Diskussionen eine Selbstverständlichkeit gewesen, ebenso wie Luxus und Muße.
     
    Deshalb hatte er das Flugzeug, die große Gulfstream, die er jetzt besaß, mit antiken Bücherschränken ausstatten lassen, in denen er das Wichtigste aus der chinesischen und der ausländischen Literatur aufbewahrte.
     
    Er fühlte sich als ein entfernter Verwandter des Kapitän Nemo, wenn nicht durch Blutsbande, so doch durch mythische Bande. Kapitän Nemo, der in seinem Unterwasserboot unterwegs war, ein einsamer Kaiser ohne Reich, mit einer großen Bibliothek und einem abgrundtiefen Hass auf die Menschheit, die sein Leben zerstört hatte. Es hieß, dass Nemo einen verschwundenen indischen Prinzen zum Vorbild hatte. Dieser Prinz hatte Widerstand gegen das britische Imperium geleistet, und auch in dieser Hinsicht konnte Ya Ru sich ihm verwandt fühlen. Dennoch empfand er mit dem genialen Ingenieur und belesenen Philosophen, dem düsteren und verbitterten Kapitän Nemo, die engste Gemeinschaft. Die Gulfstream, mit der er jetzt unterwegs war, hatte er auf den Namen Nautilus II getauft, und die Vergrößerung einer Radierung, auf der Kapitän Nemo mit seinen unfreiwilligen Besuchern in der großen Bibliothek der Nautilus steht, zierte die schmale Wand beim Eingang zum Cockpit.
     
    Doch jetzt ging es um den Schatten. Er verbarg sich gut und betrachtete die Frau, die er töten musste. Mit Kapitän Nemo hatte er auch den Glauben an die Rache gemeinsam. Die Notwendigkeit, Rache zu nehmen, zog sich wie ein Leitmotiv durch die Geschichte.
     
    Bald würde es vorbei sein. Jetzt, da er sich in Chinatown in London befand und der Regen auf seinen Jackenkragen fiel, kam es ihm in den Sinn, dass es eine bemerkenswerte Folgerichtigkeit hatte, wenn das Ende der Geschichte in England spielte. Von hier aus hatten die Brüder Wang die Heimreise nach China angetreten, aber nur einer von ihnen sollte die Heimat wiedersehen.
     
    Ya Ru liebte es zu warten, wenn er selbst über seine Zeit bestimmte. Im Gegensatz zu Flugplätzen, wo andere Menschen die Kontrolle hatten. Es verwunderte seine Freunde oft, die das Leben als allzu kurz ansahen, geschaffen von einem Gott, der wie ein sauertöpfischer Mandarin erscheinen konnte, nicht duldend, dass die Lebensfreude lange währte. Ya Ru hatte in Gesprächen mit diesen Freunden, die jetzt das moderne China mit Beschlag belegten, betont, dass der Gott, der das Leben geschaffen hatte, ganz im Gegenteil sehr wohl wusste, was er tat. Wenn den Menschen gestattet wäre, zu lange zu leben, würde ihr Wissen ein solches Ausmaß annehmen, dass sie die Mandarine durchschauen und beschließen konnten, sie zu vernichten. Die Kürze des Lebens verhindert viele Aufstände, behauptete Ya Ru. Und seine Freunde stimmten ihm meistens zu, auch wenn sie seine Argumentation nicht immer verstanden. Auch unter diesen jungen Thronprätendenten ragte Ya Ru über die Menge hinaus. Man stellte den, der ganz oben stand, nicht in Frage. Einmal im Jahr lud er seine Bekannten auf seinen Hof nordwestlich von Kanton ein. Sie beurteilten die Hengste, die freigelassen werden sollten, schlossen

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