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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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erreicht hatten.
     
    Zweimal hatte sie mit Ho telefoniert. Beide Male war sie enttäuscht gewesen, weil sie das Gefühl hatte, dass Ho ausweichend antwortete und nicht erzählte, was nach dem tödlichen Schuss geschehen war.
     
    Aber Ho hatte darauf bestanden, dass sie sich gedulden müsse. »Die Wahrheit ist nie einfach«, sagte sie. »Nur in der westlichen Welt ist man der Meinung, man könne sich Wissen leicht und im Handumdrehen beschaffen. Es braucht seine Zeit. Die Wahrheit kennt keine Eile.«
     
    Eins hatte sie jedoch von Ho erfahren, was sie mehr als alles andere hatte schaudern lassen. In der Hand des toten Ya Ru war ein kleiner Seidenbeutel gefunden worden, der Reste eines äußerst fein gemahlenen Pulvers aus zerstoßenem Glas enthielt. Die britischen Ermittler hatten nicht gewusst, was es war. Aber Ho erzählte von dieser raffinierten chinesischen Methode, Menschen zu töten.
     
    So nah war sie dem Ende gewesen. Wenn sie allein war, konnte sie heftige Weinanfälle bekommen. Nicht einmal Staffan hatte sie sich anvertraut. Sie hatte es nach ihrer Rückkehr aus London allein getragen und auch geschafft, es gut zu verbergen, weil er nie ahnte, wie es ihr wirklich ging-
     
    Während dieser Zeit war sie eines Tages in ihrem Büro von einer Person angerufen worden, mit der sie nicht gern sprechen wollte: Lars Emanuelsson.
     
    »Die Zeit vergeht«, hatte er gesagt. »Gibt es Neuigkeiten?« Es war in der Woche nach Ya Rus Tod gewesen. Einen kurzen Augenblick lang fürchtete sie, es könnte Lars Emanuelsson gelungen sein, in Erfahrung zu bringen, dass ihr der Mordanschlag in dem Hotel in London gegolten hatte.
     
    »Nichts«, hatte sie erwidert. »Die Polizei in Hudiksvall hat ihre Ansicht wohl nicht geändert.«
     
    »Von dem toten Mann als dem Mörder? Ein unbedeutender, vermutlich geisteskranker Gewalttäter, der den brutalsten Massenmord in der schwedischen Kriminalgeschichte begeht? Es kann natürlich wahr sein. Aber ich weiß, dass viele ihre Zweifel haben. Wie ich. Und wie Sie.«
     
    »Ich denke nicht mehr daran. Ich habe aufgehört, mich damit zu beschäftigen.«
     
    »Ich glaube nicht, dass das stimmt.« 
    »Was Sie glauben, ist Ihre Sache. Was wollen Sie? Ich habe zu tun.« 
    »Wie steht es mit Ihren Kontakten in Hudiksvall. Sprechen Sie noch gelegentlich mit Vivi Sundberg?«
     
    »Nein. Und jetzt beenden wir dieses Gespräch.« 
    »Ich möchte natürlich, dass Sie mir Bescheid sagen, wenn Sie etwas zu berichten haben. Meine Erfahrung sagt mir, dass sich hinter all dem Schrecklichen, was da oben in dem Dorf geschehen ist, viele Überraschungen verbergen.« 
    »Ich lege jetzt auf.«
     
    Das tat sie auch und fragte sich, wie lange Lars Emanuelsson sie noch belästigen würde. Aber vielleicht würde ihr etwas fehlen, wenn seine Beharrlichkeit aufhörte.
     
    An diesem Tag vor Mittsommer kam sie in ihr Büro, packte ihre Verhandlungsunterlagen zusammen, telefonierte mit einem Kanzleisekretär, um mit ihm Termine im Herbst zu besprechen, und ging in den Gerichtssaal. Schon als sie eintrat, sah sie Ho in der letzten Bankreihe sitzen, auf dem gleichen Platz wie bei ihrem ersten Besuch in Helsingborg. Sie hob die Hand zum Gruß und konnte sehen, dass Ho lächelte. Sie schrieb ein paar Zeilen auf ein Blatt Papier und erklärte Ho, dass sie um zwölf Uhr Mittagspause mache. Sie rief einen der Gerichtsdiener zu sich und zeigte auf Ho. Er überreichte ihr den Zettel, Ho las ihn und nickte Birgitta Roslin zu.
     
    Dann widmete Birgitta Roslin sich der erbärmlichen Schar, die nach allem anderen aussah, nur nicht nach einer kecken Räuberbande. Bis zur Mittagspause war die Verhandlung schon so weit fortgeschritten, dass sie den Fall problemlos am nächsten Tag würde abschließen können.
     
    Als sie auf die Straße trat, wartete Ho unter einem blühenden Baum.
     
    »Es muss etwas passiert sein, weil Sie hergekommen sind«, sagte Birgitta Roslin.
     
    »Nein.«
     
    »Heute Abend können wir uns treffen. Wo wohnen Sie?« 
    »In Kopenhagen. Bei Freunden.«
     
    »Irre ich mich, wenn ich glaube, dass Sie etwas Entscheidendes zu berichten haben?«
     
    »Alles ist jetzt deutlicher. Deshalb bin ich hier. Ich habe auch etwas für Sie mitgebracht.« 
    »Was ist es?« Ho schüttelte den Kopf. »Darüber sprechen wir heute Abend. Was haben sie getan? Die Leute, die Sie verurteilen sollen?« 
    »Diebstahl, Raubüberfälle. Aber sie haben keinen Mord begangen.« 
    »Ich habe sie mir angesehen. Alle haben

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