Der Chinese
sprach. Sie hielten ihn auf Abstand, indem sie sich mit Schweigen umgaben.
Allmählich wurde es Herbst. Die Lokomotive kam immer näher, JA betrank sich immer öfter. Dann schlug er jeden, der ihm in den Weg kam. Manchmal war er so betrunken, dass er, über der Mähne hängend, auf seinem Pferd einschlief. Aber obwohl er schlief, fürchteten sie ihn doch nicht weniger.
Manchmal träumte San in der Nacht, der Berg wachse wieder zu. Am Morgen, wenn sie aufwachten, würden sie entdecken, dass sie wieder vor der unberührten Felswand standen, dort, wo sie einmal angefangen hatten. Aber der Berg wurde langsam besiegt. Sie hackten und sprengten sich nach Osten, Meter für Meter, während der grimmige Vorarbeiter in ihrem Rücken wachte.»
Eines Morgens sahen die Brüder einen alten Chinesen ganz ruhig auf einen hohen Felsenabsatz klettern, sahen ihn springen und am Boden aufschlagen. San würde nie vergessen, mit welcher Würde der Mann sein Leben beendet hatte. Der Tod war immer in der Nähe. Ein Mann zerschmetterte sich den eigenen Kopf mit einer Hacke, ein anderer ging einfach in die Wüste hinaus und verschwand. Der Vorarbeiter schickte seine Indianer und Bluthunde hinter ihm her, aber er wurde nie gefunden. Sie konnten nur Männer aufspüren, die fliehen wollten, nicht die, die in die Wüste gingen, um zu sterben.
Eines Tages versammelte Brown alle, die an diesem Abschnitt arbeiteten, den sie das Höllentor nannten. Sie mussten sich in einer Reihe aufstellen. Als JA auf seinem Pferd kam, war er nüchtern und trug saubere Sachen. Sonst roch er immer nach Schweiß und Urin.
Er saß auf seinem Pferd und brüllte nicht, sondern sprach. »Heute bekommen wir Besuch«, begann er. »Einige Gentlemen, die diese Eisenbahn finanzieren, wollen sehen, ob die Arbeit richtig vonstatten geht. Ich setze voraus, dass ihr schneller arbeitet als sonst. Auch frohe Zurufe und Lieder sind gut. Wird jemand angesprochen, antwortet er höflich, dass alles in Ordnung ist. Die Arbeit ist in Ordnung, das Essen, das Zelt, sogar ich bin in Ordnung. Wer sich anders verhält, hat die Hölle zu erwarten, wenn die feinen Herren wieder weg sind, das verspreche ich euch.«
Ein paar Stunden später kamen die Besucher in einem geschlossenen Wagen mit einer bewaffneten und uniformierten Reitereskorte. Es waren drei Männer in schwarzen Anzügen und mit hohen Hüten, die vorsichtig ihre Füße auf den steinigen Boden setzten. Hinter jedem stand ein Neger und hielt einen Schirm zum Schutz vor der Sonne über ihn. Auch diese schwarzen Diener trugen Uniformen. San und Guo Si waren in den Körben und brachten Sprengladungen an, als die Männer eintrafen. Sie zogen sich zurück, als die Brüder die Lunten anzündeten und nach unten brüllten, man solle sie herunterlassen.
Nachdem der Felsen gesprengt war, kam einer der Männer in den schwarzen Anzügen zu San und wollte mit ihm sprechen. Neben ihm stand ein chinesischer Dolmetscher. San sah in ein Paar blaue Augen und in ein freundliches Gesicht. Die Fragen kamen eine nach der anderen, ohne dass der Mann die Stimme hob. »Wie heißen Sie? Wie lange sind Sie schon hier?«
»San. Ein Jahr.«
»Ihre Arbeit ist gefährlich.«
»Ich tue, was man mir befiehlt.«
Der Mann nickte. Dann holte er einige Münzen aus seiner Tasche und gab sie San. »Teilen Sie es mit dem anderen Mann.«
»Das ist mein Bruder Guo Si.«
Einen Augenblick lang schien der Mann bekümmert zu sein. »Ihr Bruder?«
»Ja.«
»Bei der gleichen gefährlichen Arbeit?«
»Ja.«
Er nickte nachdenklich und gab San noch ein paar Münzen dazu. Dann drehte er sich um und ging. San hatte das Gefühl, für einen kurzen Augenblick ganz wirklich gewesen zu sein. Jetzt war er wieder nur ein namenloser Chinese mit einer Hacke.
Als der Wagen mit den drei Männern abgefahren war, stieg JA vom Pferd und verlangte die Münzen, die San bekommen hatte. »Golddollars«, sagte er. »Was willst du damit?« Er steckte das Geld in die Tasche und setzte sich wieder aufs Pferd. »Der Berg«, sagte er und zeigte auf die Körbe. »Wenn du nicht geflohen wärst, hätte ich dich das Geld vielleicht behalten lassen.«
In San brannte ein Hass, den er kaum noch kontrollieren konnte. Vielleicht lief es doch darauf hinaus, sich selbst mit dem verhassten Vorarbeiter in die Luft zu sprengen? Sie arbeiteten weiter im Gebirge. Die Nächte wurden kühler. Da geschah das, wovor San die größte
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