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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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er nahm sich vor, nicht wieder in der äußersten Armut zu versinken.
     
    Als San der Wind ins Gesicht blies, dachte er an Sun Na. Obwohl er wusste, dass sie tot war, konnte er sich beinahe vorstellen, dass sie neben ihm stand. Aber als er die Hand ausstreckte, strich nur der Wind zwischen seinen Fingern hindurch.
     
    Nach ein paar Tagen auf dem offenen Meer kamen die beiden blonden Männer zu San. Sie hatten einen älteren Mann aus der Besatzung bei sich, der Chinesisch sprach. San fürchtete, er und Guo Si hätten etwas Falsches getan. Aber der Seemann, Mister Mott, erklärte in seinem schwer verständlichen Chinesisch, die beiden Männer seien schwedische Missionare auf dem Weg nach China. Er stellte sie als Mister Elgstrand und Mister Lodin vor.
     
    San und Guo Si verstanden, dass die beiden jungen Männer Priester waren, die ihr Leben der christlichen China-Mission gewidmet hatten. Sie waren unterwegs nach Fuzhou, um eine Gemeinde aufzubauen, wo sie die Chinesen zum rechten Glauben bekehren und ihnen den Weg zum Reich Gottes weisen wollten, welches das wahre Ziel des Menschen sei. Ob San und Guo Si sich vorstellen könnten, den Herren zu helfen, sich in der schwierigen chinesischen Sprache zu verbessern? Sie hätten geringe Kenntnisse, wollten während der Schiffsreise aber hart arbeiten, um gut vorbereitet zu sein, wenn sie an der chinesischen Küste an Land gingen. San dachte nach. Er sah keinen Grund, auf die Bezahlung zu verzichten, die die blonden Männer anboten. Es würde ihnen den Anfang in China erleichtern.
     
    Er verbeugte sich. »Es wird Guo Si und mir eine große Freude sein, den Herren zu helfen, in die chinesische Sprache einzudringen.«
     
    Sie begannen schon am nächsten Tag mit dem Unterricht. Elgstrand und Lodin wollten San und Guo Si in ihren Teil des Schiffes bitten. Aber das lehnte San ab. Er zog es vor, im Vorschiff zu bleiben.
     
    San war es, der zum Lehrer der Missionare wurde. Guo Si saß dabei und hörte zu.
     
    Die beiden schwedischen Missionare behandelten die Brüder wie ihresgleichen. Es dauerte lange, bis Sans Misstrauen ihrer Freundlichkeit gegenüber abnahm, um schließlich ganz zu verschwinden. Er wunderte sich, dass sie die Reise nicht machten, um Arbeit zu suchen oder weil sie vertrieben worden waren. Was diese jungen Männer antrieb, war ein echtes Gefühl und der Wille, andere Seelen vor der ewigen Verdammnis zu erretten. Elgstrand und Lodin waren bereit, ihr Leben für ihren Glauben zu opfern. Elgstrand kam aus einer einfachen Bauernfamilie, während Lodins Vater Pastor in einer abgelegenen Gegend gewesen war. Sie zeigten San und Guo Si auf einer Karte, woher sie kamen. Sie erzählten offen und verhehlten ihre einfache Herkunft nicht.
     
    Als San die Weltkarte sah, begriff er, dass die Reise, die er mit Guo Si machte, die längste war, die ein Mensch machen konnte, ohne seine eigene Spur zu kreuzen.
     
    Elgstrand und Lodin waren fleißig. Sie studierten eifrig und lernten schnell. Schon kurz hinter der Biskaya hatten sie eine Routine entwickelt und hielten die Lektionen am Morgen und späten Nachmittag ab. San begann nach ihrem Glauben und ihrem Gott zu fragen. Er wollte begreifen, was er an seiner Mutter nicht verstanden hatte. Sie hatte von dem christlichen Gott nichts gewusst. Aber sie hatte andere unsichtbare und höhere Mächte angebetet. Wie konnte ein Mensch bereit sein, sein Leben dafür hinzugeben, dass andere Menschen an den Gott glaubten, den er selbst anbetete?
     
    Meist war es Elgstrand, der sprach. Das Wichtigste an seiner Botschaft war, dass alle Menschen Sünder seien, jedoch erlöst würden und nach dem Tod ins Paradies kommen könnten.
     
    San dachte an seinen Hass auf Zi , auf Wang, der glücklicherweise tot war, und auf JA, den er mehr als jeden anderen verachtete. Elgstrand behauptete, für den christlichen Gott bestehe das größte Verbrechen darin, einen Mitmenschen zu töten.
     
    San war verunsichert. Seine Vernunft sagte ihm, dass Elgstrand und Lodin nicht recht haben konnten. Sie sprachen immer von dem, was den Menschen nach dem Tod erwartete, nie davon, wie sich sein Leben hier auf der Erde verändern ließ.
     
    Elgstrand kam oft auf den Gedanken zurück, dass alle Menschen gleichen Wert hätten. Vor Gott seien alle arme Sünder. Aber San konnte nicht verstehen, dass er selbst und Zi und JA sich am Tag des Gerichts unter gleichen Voraussetzungen begegnen sollten.
     
    Er hatte große Zweifel. Gleichzeitig wunderte er sich über die

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