Der Clan der Wildkatzen
gesprungen und musste sich mitten im Satz abfangen, wodurch sie seitwärtstaumelte und hart gegen die Kante des Bettes stieß. » Auuu!«, entfuhr es ihr unwillkürlich, und sie schloss die Augen. Sie war hart gelandet und nun ziemlich benommen.
Auf einmal wurden ihre Ohren sanft geputzt, und eine kleine, aber tröstlich raue Zunge strich über die empfindliche Stelle auf der Stirn. Das fühlte sich so gut an, dass Beraal die Augen geschlossen hielt, obwohl ihr Verstand an die Tür klopfte und ihr mitzuteilen versuchte, dass hier etwas ganz und gar schieflief. Kein Mörder mit einer Winzigkeit Respekt vor sich selbst würde sich vom Objekt seiner Mordabsichten die Ohren putzen lassen! Sie schlug die Augen auf und starrte in Maras Gesicht, das verkehrt herum über ihr schwebte. Das Kätzchen war auf ihren Rücken geklettert, balancierte auf dem Hals und leckte ihr eifrig das Gesicht ab. Beraal blinzelte. Das war äußerst angenehm, trotzdem hatte sie das Gefühl, protestieren zu müssen. Aber nun begann Mara auch noch, ihre Schnurrhaare zu putzen, und ganz gegen ihren Willen entfuhr Beraal ein leises Schnurren.
Mara erwiderte das Schnurren und lief über Beraals Gesicht, was der Katze ein Jaulen entlockte. Ehe sie aus Protest hätte fauchen können, hatte sich das Kätzchen an sie geschmiegt, und Beraal spürte, wie ihr Bauch sanft von Maras Tatzen geknetet wurde, während sie schnurrte und schnurrte und schnurrte.
» Ich sollte wirklich…«, begann Beraal. Doch Mara massierte weiter Beraals Bauch, die Augen geschlossen, und das erinnerte die ältere Katze daran, wie schön es gewesen war, einen eigenen Wurf zu haben. Sie sah den orangefarbenen Kopf an.
» Aber du bist nicht mein Kätzchen«, sagte sie entschlossen, schob Mara von sich und stand auf. Das Kätzchen schlug nach ihren Pfoten und Beraal legte die Ohren an und fauchte.
Mara riss überrascht die Augen auf. Sie legte den Kopf schief, betrachtete Beraal aufmerksam und brachte eine erstaunlich gute Imitation des Knurrens der großen Katze zustande.
Daraufhin senkte Beraal den Kopf, zog die Schultern hoch und schob sich bedrohlich vorwärts.
Mara tat es ihr gleich und schlug ihr dann mit ausgefahrenen Krallen schmerzhaft auf die Nase, sodass es blutete.
» Schnurrhaar und Pfotenkralle!«, fluchte Beraal. Ihre Augen funkelten, während sie ihre Pfote auf die Stelle schlug, wo das Kätzchen stand, doch Mara wich blitzschnell zur Seite aus, und Beraal verfehlte sie um Haaresbreite.
» Warte nur, du scheußliches, räudiges, mieses Fellknäuel«, sagte Beraal, schnappte zu und verpasste Maras Schwanz um ein paar Zentimeter. Ihre Nase hatte nicht mehr so wehgetan, seit sie vor Monaten in eine Mausefalle geraten war, und jetzt wollte sie diesem dummen Kätzchen einfach nur noch das Genick brechen.
Mara hüpfte durch das Zimmer. Beraal jagte ihr hinterher und rutschte dabei in der Hitze des Gefechts unter das Bett. Der Hintern des Kätzchens bewegte sich genau vor ihrer Nase und Mara suchte Deckung hinter einem der Beine.
» Hab dich!«, sagte Beraal und versenkte triumphierend die Zähne in einer Masse orangefarbenen Fells. Der Schmerz in der Nase machte sie wild, und anstatt mit einem zweiten Biss sicherzugehen, dass sie dem Kätzchen das Genick gebrochen hatte, schüttelte Beraal das Fellbündel so heftig sie konnte und schleuderte es zweimal gegen die Wand. Schlaff hing es zwischen ihren Kiefern, während sie sich rückwärts unter dem Bett hervorschob. Nach und nach wich die Blutgier aus ihren Augen. Es war schon ein bisschen schade, denn eigentlich war das Kätzchen so lieb gewesen. Doch nun war die Sache erledigt und vielleicht hatte ihr tödlicher Biss für einen schnellen und verhältnismäßig gnädigen Tod gesorgt.
Sie ließ das armselige, schlaffe Häuflein auf den Teppich fallen, stieß es mit einer Pfote an und fühlte sich plötzlich unerklärlich traurig.
» Wenn du das machst«, sagte eine Stimme über ihrem Kopf, » solltest du lieber aufpassen, denn er hat sehr langes, wolliges Fell, und du könntest mit einer Kralle darin hängen bleiben.«
Beraal fuhr auf den Hinterläufen herum und sah nach oben.
Mara lag lang ausgestreckt auf einem Kissen und leckte sich die Pfoten. » Lustig, nicht? Hast du schon einmal versucht, mit einem Ball zu spielen? Das macht zu zweit viel mehr Spaß, denn alleine muss ich den Ball immer gegen die Wand werfen. Ihn mag ich auch, aber er ist nur ein weiches Spielzeug. Er hüpft nicht so gut.«
Beraal
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