Der Club der Gerechten
dauert nur eine Weile, Herzchen«, sagte sie, als Heather sie das erste Mal besuchte. Doch sie war nie wieder nach Hause gekommen. »Ich kann einfach nicht«, erklärte sie. »Wenn du älter bist, wirst du es verstehen.«
Die Scheidung ging in aller Stille über die Bühne – der Vater sorgte dafür.
Und die Mutter hatte New York verlassen – auch dafür hatte der Vater gesorgt.
Charlotte lebte jetzt in San Francisco. Mit Achtzehn war Heather trotz der Einwände des Vaters hinübergeflogen und hatte sie besucht. An dem Morgen, an dem sie ankam, war die Mutter nüchtern, aber zum Lunch trank sie ein Glas Weißwein. »Schau mich nicht so an, Liebling«, sagte sie beim ersten Schluck mit spröder Stimme und allzu strahlendem Lächeln. »Es ist nur ein Glas. Ich bin keine Alkoholikerin.« Doch es war nicht nur ein Glas gewesen; es war nur das erste. Beim Abendessen versuchte die Mutter nicht einmal mehr zu leugnen. »Warum sollte ich nicht trinken? Ich mag zwar in San Francisco wohnen, aber dein Vater kontrolliert noch immer mein Leben.«
»Warum lässt du es zu?«, fragte Heather.
Die Mutter schüttelte den Kopf. »Es ist nicht so einfach – wenn du älter bist, wirst du es verstehen.« Diese Reise nach San Francisco zerstörte alle Illusionen, die Heather sich in den Jahren der Trennung über die Mutter gemacht hatte.
Jetzt, mit dreiundzwanzig, verstand sie es, wie die Mutter ihr prophezeit hatte. In gewisser Weise beherrschte der Vater sie genauso wie er Charlotte beherrscht hatte.
Heather wohnte noch immer in dem weitläufigen Apartment auf der Fifth Avenue, studierte noch immer an der Columbia.
Noch immer von ihrem Vater unterstützt, lebte sie noch immer in seinem Haus. Sie wusste jedoch, es würde ein Ende haben, sobald Jeff mit dem Architekturstudium fertig war und sie heiraten könnten. Und dann der furchtbare Abend, an dem sie in seinem Apartment auf Jeff wartete und er nicht nach Hause kam. Sicher, dass etwas passiert sein musste, fing sie schließlich an, herumzutelefonieren.
Zuerst rief sie die Krankenhäuser an. St. Luke's, die Klinik auf dem Columbus, das Westside Medical Center.
Und dann die Polizeistation auf der West 100 th Street.
»Wir haben einen Jeffrey Converse hier«, hatte ihr der diensthabende Sergeant gesagt, sich aber geweigert, ihr am Telefon nähere Einzelheiten mitzuteilen.
Bis Heather selbst in die Polizeistation kam, dachte sie, es müsse sich um einen schrecklichen Irrtum handeln. Jeff, das Gesicht zerkratzt, die Kleidung blutverschmiert, hatte sie durch die Gitterstäbe der Einzelzelle in der Kriminalabteilung hilflos angesehen. »Ich habe versucht einer Frau zu helfen«, sagte er. »Ich habe nur versucht, ihr zu helfen.«
Und der Albtraum hatte angefangen.
Der Albtraum, gegen den ihr Vater, der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt, nichts unternommen hatte. »Ich kann nichts tun«, sagte er ihr am nächsten Tag. »Ich habe mir den Fall angesehen, und das Opfer hat den Täter eindeutig identifiziert. Sie ist sicher, dass es Jeff war.«
»Es muss doch etwas geben ...«, begann Heather, aber der Vater unterbrach sie.
»Mein Job ist es, Menschen wie Jeff Converse anzuklagen, nicht zu verteidigen. Es tut mir Leid, aber ich kann nichts machen.«
Heather wusste jedoch, dass mehr dahinter steckte. Der Vater wollte für Jeff nichts tun.
Er hatte nie gewollt, dass sie mit Jeff ging.
Er wollte ganz gewiss nicht, dass sie Jeff heiratete.
Er wollte aber Bezirksstaatsanwalt werden, ein Ehrgeiz, der bei den nächsten Wahlen durchaus erfüllt werden konnte. Es sei denn, etwas Peinliches passierte – zum Beispiel, wenn er bei einem Fall, der in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregte, auf der falschen Seite stand.
Und weil der Täter gegen Cynthia Allen mit so unvorstellbarer Grausamkeit vorgegangen war, erregte Jeffs Fall größtes Aufsehen. Für Perry Randall war es schlimm genug, dass seine Tochter mit Jeffrey Converse gegangen war. Undenkbar, auch nur den Anschein zu erwecken, dass er ihn verteidigte.
»Aber er hat es nicht getan«, flüsterte Heather jetzt. »Ich weiß, dass er es nicht getan hat.« Sie hätte ebenso gut gar nichts sagen können, denn der Vater hatte sich wieder hinter seiner Zeitung verschanzt.
Keith Converse streckte die Hand nach dem Knopf des Radios in seinem Laster aus, überlegte es sich aber noch, bevor seine Finger ihn berührten. Er wusste, was geschehen würde, wenn er einschaltete: Seine Frau würde im Gebet nur lange genug
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