Der Coach
mit Macht auf ihn einstürzten, sobald er die Flutlichtmasten des Spielfelds vor sich sah. Langsam ließ er den Wagen zwischen den herbstlich leuchtenden, rotgelben Ahornbäumen hindurchrollen. Damals, in Neelys glorreichen Tagen, hatten ihre Stämme gerade mal einen Umfang von dreißig Zentimetern gehabt, und nun berührten sich hoch über ihm die Äste, und die Blätter fielen wie Schneeflocken herab und bedeckten die Straße zum Rake Field.
Es war ein später Nachmittag im Oktober, und ein leichter, kühler Nordwind ging.
Neely hielt in der Nähe des Eingangstors und blickte auf das Spielfeld. Seine Bewegungen waren langsam, jeder Gedanke war schwer von Geräuschen und Bildern aus einem anderen Leben. Als er noch aktiv gewesen war, hatte das Spielfeld keinen Namen gehabt und auch keinen gebraucht. In Messina war es einfach »das Feld« gewesen. »Die Jungs sind heute ganz schön früh auf dem Feld«, hieß es damals in den Cafés im Zentrum. »Wann richten wir heute das Feld her?«, fragten die Mitglieder des Rotary Club. »Rake sagt, wir brauchen neue Zuschauertribünen auf dem Feld«, wurde bei der FanklubVersammlung verkündet. »Rake hält sie heute aber lange auf dem Feld«, hieß es in den Kneipen im Norden der Stadt.
Keinem anderen Ort in Messina wurde so viel Respekt entgegengebracht wie dem Feld. Nicht einmal dem Friedhof.
Nach Rakes Abschied hatte man es nach ihm benannt. Neely war damals schon lange fort gewesen und hatte nicht vorgehabt zurückzukommen.
Warum er es jetzt tat, war ihm selbst nicht ganz klar. Doch im tiefsten Innern hatte er immer gewusst, dass der Tag kommen würde, irgendein Tag in ferner Zukunft, an dem es ihn hierher zurücktreiben würde. Ihm war klar gewesen, dass Rake einmal sterben würde und dass es dann natürlich eine Beisetzung geben musste, bei der ihm hunderte frühere Spieler das letzte Geleit geben würden, alle in das Grün der Spartans gekleidet und voller Trauer über den Verlust einer zugleich geliebten und verhassten Legende. Doch Neely hatte sich geschworen, nie zum Feld zurückzukehren, so lange Rake noch am Leben war.
Etwas weiter weg, hinter der Gegentribüne, befanden sich die beiden Trainingsplätze, von denen einer erleuchtet war. Im ganzen Bundesstaat gab es keine zweite Highschool mit einer so luxuriösen Anlage, aber es gab auch keine zweite Stadt, die dem American Football so rückhaltlos verfallen war wie Messina. Neely hörte die Trillerpfeife des Coachs, das dumpfe Geräusch aufeinander prallender Körper, das Ächzen der Spieler. Das aktuelle Team der Spartans bereitete sich auf den Freitagabend vor. Er trat durch das Tor und ging die Tartanbahn entlang, die selbstverständlich ebenfalls in Dunkelgrün gehalten war.
In der Endzone war der Rasen so gepflegt, dass er sich zum Golfspielen geeignet hätte, doch an den Goalposts krochen ein paar wilde Triebe empor, und in einer Ecke wuchs an einigen Stellen Unkraut. Aufmerksam geworden, schaute Neely genauer hin und bemerkte schlecht gemähte Stellen an den Rändern der Bahn. In den glorreichen Tagen hatten sich hier jeden Donnerstagnachmittag dutzende Freiwillige eingefunden, mit Gartenscheren bewaffnet das Feld durchkämmt und jedem widerspenstigen Grashalm den Garaus gemacht.
Doch die glorreichen Tage waren vorbei. Sie waren mit Rake verschwunden. Inzwischen spielten in Messina nur noch Normalsterbliche Football, und die Stadt hatte viel von ihrer Selbstherrlichkeit eingebüßt.
Einmal hatte Coach Rake einen gut gekleideten Herrn mit lauten Flüchen bedacht, weil der die Sünde begangen hatte, den heiligen Bermudarasen des Feldes zu betreten. Der Herr hatte sofort kehrtgemacht und war an der Seitenlinie entlanggegangen. Als er näher kam, merkte Rake, dass er gerade den Bürgermeister von Messina beschimpft hatte. Der Bürgermeister war beleidigt, aber das spielte für Rake keine Rolle. Es hatte eben keiner sein Feld zu betreten. Der Bürgermeister, der es nicht gewohnt war, beschimpft zu werden, machte einen verzweifelten Versuch, Rakes Entlassung zu betreiben, doch der hatte leichtes Spiel. Bei der nächsten Wahl schlugen die Einwohner von Messina den Bürgermeister mit 4:1.
Damals besaß Eddie Rake in Messina größere politische Macht als alle Politiker zusammen, und er machte sich absolut nichts daraus.
Neely blieb an der Seitenlinie und ging langsam auf die Haupttribüne zu. Doch dann erfasste ihn eine Welle des alten Lampenfiebers vor dem Spiel, und er blieb abrupt stehen und holte tief
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